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Pilgerverbot „aus Verzweiflung“ By Klaus Hofler Die Presse May 20, 2011 http://diepresse.com/home/panorama/religion/663944/Pilgerverbot-aus-Verzweiflung Mariazell. Nein, er sei kein Opfer, stellt Sepp Rothwangl mit fast zorniger Bestimmtheit klar. Eine derartige Bezeichnung sei „entwurdigend“, weil sie Handlungsunfahigkeit suggeriere. „Ich bin Betroffener kirchlicher Gewalt“, differenziert der Obersteirer – Nachsatz: „Und handlungsfahig“. Der jungste Tatigkeitsbeweis hat dem 62-Jahrigen in den vergangenen Tagen einen Bekanntheitsgrad beschert, der weit uber das heimatliche Murztal hinausreicht. Es sind Verbotstafeln, die Rothwangl an drei Stellen in seinem 120Hektar weiten Waldgrundstuck am Pretalsattel aufgehangt hat. Darauf weist er das Areal als „Kinderschutzgebiet“ aus. „Das Betreten dieses Grundstucks ist Priestern, Ordenspersonal oder anderem Kirchenpersonal gemeinsam mit unbeaufsichtigten Kindern ohne Beisein von deren Eltern, Vormunden oder Bevollmachtigten verboten“, hei?t es. Als Grund wird „die gro?e Zahl von Missbrauchsvorfallen in der katholischen Kirche“ angegeben, die zu dieser „Vorsichtsma?nahme im Interesse schutzloser Kinder“ zwinge. Untermauert wird das Verbot mit einer Anzeigenandrohung und einem Schild, auf dem ein Priester zwei Kindern nachstellt. Vorwurf der Wichtigtuerei Durch den Wald verlauft auf 1,5 Kilometern eine hoch frequentierte Pilgerroute nach Mariazell. Drei Tage sind engagierte Wallfahrer von hier aus noch bis zur Basilika unterwegs. Die sechskopfige Gruppe, die gerade an Rothwangls Forsthaus vorbeimarschiert, ist im sudsteirischen Leibnitz gestartet. Von den Tafeln haben sie einen Abend davor gehort. „Da will sich halt einer wichtig machen“, fallt einer Pilgerin als Erstes ein. „Damit wird ja alles, was die Kirche zuletzt gemacht hat, zerstort und die Sache wieder aufgewarmt“, erganzt ein Mann. „Die Sache“: Bei Rothwangl liegt sie 50Jahre zuruck. Als 12-Jahriger hat er in einem von der Kirche gefuhrten Internat in Graz padophile Ubergriffe durch Ordensangehorige erlebt. Jahrzehntelange psychotherapeutische Behandlung war die Folge. „Mich hat die seelische Verstorung krank gemacht“, sagt er. Lange schwieg er. „Aus Angst, es konnte existenzbedrohend sein.“ In ihm habe es aber „weiter gebohrt“. Nachdem eine Sachverhaltsdarstellung bei der Polizei und eine Schadensersatzforderung bei der Finanzprokuratur der Republik im Sand verlief, haben sich „aus Verzweiflung und Arger“ (Rothwangl) die Uberlegungen verdichtet, „in welcher Form ich auf die schandliche Form der Aufarbeitung durch die Kirche hinweisen konnte“. Daraus entstand die Idee mit den Tafeln. Eine mediale Dauerbelagerung des idyllisch in einer Lichtung eingebetteten Forsthauses ist die Folge. Und eine Anzeige durch die BZO-Abgeordneten Gerald Grosz und Ewald Stadler. Sie werfen Rothwangl eine Pauschalverurteilung katholischer Priester vor. „Verwerfliche Aussagen“, fallt dem Beschuldigten dazu ein. Und dass er „diesen Fehdehandschuh regelrecht lachend“ entgegennehme. Er wolle in seinem Wald „nur Ruhe haben“. Mit Mountainbikern, Schwammerl- und Beerensuchern habe er sich arrangiert. Mit Pilgern ist es ihm nicht immer gelungen, erinnert er sich an Gruppen, die das schmale Wiesenstuck vor seinem Haus als Nachtlager benutzt haben, „dass ich gar nicht bei der Tur hineingekommen bin“. Diozese sieht Diffamierung Jetzt will er sie zudem fur Dinge sensibilisieren, die „in Beichtstuhlen, Sakristeien und Kirchturmen passieren“. „Eh gut, wenn daruber gesprochen wird“, sinniert eine aus der Leibnitzer Pilgergruppe. Rothwangl lachelt skeptisch. Kurz davor hatte er sich – mit einem Fingerzeig auf den gleichlautenden Aufdruck auf seinem T-Shirt – als „der damische Hirsch“ geoutet, der die Schilder aufgestellt hat. Die Pilger wirken verstort. Die offizielle Kirche reagiert deutlich strenger. Man wehre sich gegen die Diffamierung eines ganzen Berufsstandes und weise die rechtlich und moralisch nicht haltbare Generalverurteilung strikt zuruck, hie? es aus der Diozese. Pater Karl Schauer, Superior von Mariazell, tat die Schilder als „puren Aktionismus“ ab. „Dass es ihm wurscht ist, ist nur gespielt“, glaubt Rothwangl. Er selbst halt auch von der von der fruheren steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic gefuhrten Ombudsstelle fur Opfer nichts: „Das ist eine Vertuschungs-und Taterschutzorganisation“, wettert Rothwangl. Er selbst ist langst aus der Kirche ausgetreten, hat ein Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien mitinitiiert und ist in einer Plattform engagiert, wo Betroffene „sehen, dass sie mit ihrem Schicksal nicht alleine sind“. |
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