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  Sister Act Im Mädchenpensionat

By Elisabeth Haselauer
Der Standard
March 21, 2011

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Keine von "sister's darlings": Elisabeth Haselauer.

Perspektivenwechsel: "Die Heilige Jungsfrau züchtigt das Jesuskind in Anwesenheit von drei Zeugen" - Ölgemälde von Max Ernst, 1926, Sammlung Krebs, Brüssel

Alle reden von der Erziehungshölle in Männerklöstern und Knabeninternaten. Hier eine Erinnerung aus weiblicher Sicht - an die pädagogische Performance eines Lehrkörpers in Nonnentracht

Jetzt werkeln sie anderswo. In Linz. Und in Gosau. Doch in den Fünfzigern gab es noch das "Mädchenpensionat Ort bei Gmunden", eine Erziehungshölle erster Ordnung, die den ins Gerede gekommenen Knabenanstalten um nichts nachstand.

Lauter Kreuzschwestern. Ein Schlafsaal mit 30 Eisenbetten. Und ein Spind pro Kind, dessen Ordnung mit dem Zentimetermaß gemessen und nach Genauigkeit des Übereinanderliegens von Hemdchen und Höschen "benotet" wurde. Ich hab zu lang gebraucht, um die vier Dinger zentimetergenau zu stapeln, lag dann erst um vier Millimeter falsch, bekam Arrest und eine "Fünf". Bei dreimal "Fünf" wurden die Eltern verständigt. - Das war in meinem Fall gefährlich.

Heilige Messe um 6 Uhr, also fiel das vorangegangene kalte Waschen im nicht minder kalten Waschraum eher dürftig aus. Einmal wöchentlich stand "baden" auf dem Programm. Sechs oder sieben Blechwannen, getrennt durch Vorhänge, standen in einem dampfenden Raum - was immer zu kalt gewesen war, fiel nun deutlich zu heiß aus. Ich musste ein Badehemd anziehen, eine fast bodenlange Hülle, bevor eine ältliche Schwester ihren Ärmel hochkrempelte und mich mit einem knochigen schneeweißen Arm (ich sehe ihn heute noch) in das brennheiße Wasser drückte.

Der nächste Schlechtpunkt, weil ich weinte und nicht wusste, wie ich mich in diesem Hemd waschen sollte.

Schweigen eingebläut

Natürlich verstand ich damals nicht, woher die Unterschiede kamen: Es gab "sister's darlings", also Mädchen, die sich schadlos alles leisten konnten. Und es gab solche wie mich. Dass meine schulischen Leistungen unter jeder Kritik waren, versteht sich von selbst, weil ich trotz allen Bemühens einfach nicht konnte. Gelernt hab ich zwar brav, doch im Unterricht fiel mir nichts ein. Und der Gipfel an "bodenloser Verworfenheit" (O-Ton Oberin) war, dass mir jene Stücke, die mir meine Klavierlehrerin gab, zu simpel erschienen, weshalb ich mir Noten borgte und etwas Schwereres übte. Heimlich. Nur, wie spielt man heimlich Klavier?

Die nächsten paar Schlechtpunkte. Verständigung die ... neunte (oder so).

Wieder einmal kam mein Stiefvater angereist und schlug mich grün und blau, wozu den Ehrwürdigen Damen offensichtlich die Kraft fehlte. Nur der Stock und das Gästezimmer wurden zur Verfügung gestellt. Und das Krankenzimmer danach, in dem ich so lange "verweilen" durfte, bis die Flecken nicht mehr zu sehen waren.

Sollte ich, wurde mir dort eingebläut, meinen Mitschülerinnen von den Vorfällen erzählen, so würde man mich auf der Stelle rauswerfen.

Ich erzählte nichts. Jahrzehntelang nicht. Bis heute nicht.

Dass ich nicht einmal wusste, wieso ich überhaupt geschlagen wurde, erwies sich eines unschönen Tages. Ich sah meinen Stiefvater und eine Nonne im Hof stehen und rannte. Einfach weg, irgendwohin ... Er sollte mir aber nur ein Stofftier bringen, weil ich Geburtstag hatte.

Kurz danach legten die Ehrwürdigen Schwestern meiner Mutter nahe, mich aus dem Pensionat zu nehmen, weil ich dumm wäre und ohnedies nie eine Matura schaffen würde. Ich kam in eine Hauptschule - fest von meiner Dummheit überzeugt und mehr noch davon, nichts als ein Stück Dreck zu sein.

Unterdessen absolvierte ich zwei Studien an der Musik-Uni Wien, bekam den Abgangspreis und eine Anstellung ebendort, lebte zugleich meine "Verworfenheit" im internationalen Konzertbetrieb aus und bin habilitierte Universitätsprofessorin. Aber der Weg zwischen Uni und Gosse war schmal. Sehr leicht landet in Letzterer, wem eine heilige Erziehungsanstalt so viel Selbstwertmangel einimpft.

Außerdem verstand ich mit der Zeit, was die "sister's darlings" - zum Wohlgefallen der Schwestern selbst - auszeichnete: Sie waren allesamt grottenhässlich und grottenfromm ...(Elisabeth Haselauer, DER STANDARD Printausgabe 22.3.2010)

 
 

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