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  Ettaler Eltern Kritisieren Munchner Erzbistum

The Welt
February 11, 2011

http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article12506240/Ettaler-Eltern-kritisieren-Muenchner-Erzbistum.html

Die Eltern sind schockiert: Drei Monate lang hat ein Erzieher des Internats Ettal weiter mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, obwohl gegen ihn handfeste Vorwurfe wegen sexuellen Missbrauchs vorlagen. Im Schuljahr 1985/86 soll der Erzieher an einem anderen bayerischen Kloster einen zwolfjahrigen Schuler immer wieder sexuell missbraucht haben: Fummeleien, anale Vergewaltigung, Oralsex. In Ettal erfuhr man im Juli vergangenen Jahres von den Hinweisen - und zog den Mann sofort aus dem Verkehr. Doch erst gestern wurde durch einen Bericht der "Welt" bekannt: Die Klosterleitung hatte viel fruher eingreifen konnen. Wenn sie nur Bescheid gewusst hatte. Denn das Erzbistum Munchen kannte die Vorwurfe schon seit April 2010, hat aber nicht in Ettal Alarm geschlagen. Das bringt Erzbischof Kardinal Reinhard Marx in Erklarungsnot - ihn, der bislang als besonders entschlossener Aufklarer des Kirchenskandals handelte.

"Kardinal Marx tritt offentlich mit einem hohen moralischen Aufklarungsanspruch auf", sagt zum Beispiel Edgar Buttner von der Initiative "Wir sind Kirche" Munchen. "Wenn er diesen Ma?stab nicht auch an sich selbst anlegt, wirkt das schal und hohl." Marx habe einen Fehler gemacht, "der kein Kavaliersdelikt ist. Es wurde von Gro?e zeugen, wenn er das auch einraumen und die Eltern der Kinder um Verzeihung bitten wurde."

Zumal die Eltern das Verhalten des Ordinariats nicht nachvollziehen konnen. Peter Cammerer, Elternsprecher in Ettal, sagte der "Welt": "Die dreimonatige Verzogerung ist durch nichts zu rechtfertigen. Auch nicht mit dem Wunsch des Opfers nach Vertraulichkeit. Man hatte ja auch stufenweise diskret das Kloster als Schul- und Internatstrager einbinden konnen." Die Eltern hatten gro?es Vertrauen in die Klosterfuhrung beim Umgang mit sexuellen Missbrauchsfallen. Dazu gehore auch die Erwartung, dass bei entsprechenden Hinweisen schnell gehandelt werde. "Fur uns Eltern ist es ein komisches Gefuhl, dass ausgerechnet das Erzbistum so lange gewartet hat. Das sind doch Profis dort. Die mussen doch wissen, dass man in solchen Fallen sofort reagieren muss."

Doch das Erzbistum Munchen vertritt weiterhin die Auffassung, man habe 2010 richtig gehandelt. Die Rechtsanwaltskanzlei, die im Auftrag des Erzbistums die Arbeit des Missbrauchsbeauftragten pruft, teilte mit, dass das Opfer zunachst um Vertraulichkeit gebeten habe. Deshalb sei der Verdacht zunachst nicht weitergeleitet worden. Au?erdem verweist das Erzbistum auf einen internen Brief des damaligen Missbrauchsbeauftragten ans Kloster, der die dreimonatige Verzogerung so begrundete: Es gebe keine rechtliche Verpflichtung, "Verdachtsmomente in Richtung eines Sexualdelikts unverzuglich und ohne Rucksicht auf den erklarten Willen des betroffenen Opfers an die staatlichen Strafverfolgungsbehorden zu melden".

Die Argumentation uberrascht, weil die bayerischen Bischofe um Kardinal Marx bisher in der Offentlichkeit stets einen anderen Eindruck erweckt hatten. In ihrer gemeinsamen Freisinger Erklarung vom Marz 2010 beteuern sie zum Beispiel, eine Meldepflicht an die Staatsanwaltschaft bei Missbrauchsverdacht "sofort zu praktizieren". Au?erdem verkundete man: "Vordringlich ist es fur die Bischofe, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Missbrauch und Gewalt moglichst zu verhindern." Warum wurde Ettal dann so lange nicht darauf aufmerksam gemacht, dass dort ein potenziell gefahrlicher Mann arbeitete? Wie sollten auf diese Weise Missbrauch und Gefahr verhindert werden?

Das Kloster Ettal au?erte sich gestern per Presseerklarung zu dem Fall und bestatigte darin den zeitlichen Ablauf des Falls, wie ihn die "Welt" dargestellt hatte. "Es hat uns uberrascht, dass die Vorwurfe schon drei Monate bekannt waren und wir erst im Juli in Kenntnis gesetzt wurden. Der Erzieher war bei uns ja noch tatig", hei?t es in der Erklarung des Klostersprechers Michael Muller. Erstmals habe man in Ettal am 8. Juli 2010 durch eine E-Mail von dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch einen "weltlichen Erzieher" erfahren. Absender der Mail sei der damalige Missbrauchsbeauftragte des Erzbistums Munchen, Monsignore Siegfried Knei?l, gewesen. "Wir haben umgehend reagiert und den Erzieher am 9. Juli 2010 mit den Vorwurfen konfrontiert und ihn noch am selben Tag vom Dienst freigestellt", hei?t es in der Erklarung aus Ettal. Zu diesem Zeitpunkt sei das Kloster allerdings immer noch nicht daruber informiert gewesen, "dass die Vorwurfe bereits seit April 2010 in Munchen bekannt waren" und "Msgr. Dr. Knei?l und Erzbischof Kardinal Marx mit dem mutma?lichen Opfer gesprochen haben". Das habe man erst in einem Gesprach mit dem Beschuldigten am 17. November 2010 erfahren. "Wir waren daher total geschockt, als wir von den Vorwurfen Kenntnis erhielten", teilte Muller mit. Der Erzieher sei bis zu seiner Freistellung im Juli unverandert fur eine Schulergruppe verantwortlich gewesen. Hinweise darauf, dass der Mann Kinder oder Jugendliche bedrangt oder missbraucht haben konnte, gebe es aber nicht. "Wir haben genau nachgeforscht. Gott sei Dank besteht ein solcher Verdacht nicht", hei?t es in der Erklarung.

 
 

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