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  Memorandum Zur Zolibatsdiskussion

Aktionkreis Regensburg
February 2, 2011

http://www.josef-bayer.de/akr/pipeline/210/zoelibat.htm

Die Unterzeichneten, die durch das Vertrauen der deutschen Bischofe als Theologen in die Kommission fur Fragen der Glaubens- und Sittenlehre der Deutschen Bischofskonferenz berufen worden sind, fuhlen sich gedrangt, den deutschen Bischofen folgende Erwagungen zu unterbreiten.

Unsere Uberlegungen betreffen die Notwendigkeit einer eindringlichen Uberprufung und differenzierten Betrachtung des Zolibatsgesetzes der lateinischen Kirche fur Deutschland und die Weltkirche in ganzen (weil beide Gesichtspunkte nicht ganzlich voneinander getrennt werden konnen). Ob man diese erneute Prufung "Diskussion" nennen will oder nicht, ist ein sekundares, terminologisches Problem. Uber die Frage, wie diese Uberprufung angestellt werden konnte, soll in folgenden noch einiges gesagt werden (vgl. bes. V).

I

Die dringliche Forderung nach einer solchen Uberprufung prajudiziert in keiner Weise eine Entscheidung daruber, was als Ergebnis resultieren soll oder faktisch herauskommt, Diese Petition ist keine Forderung von Gegnern des priesterlichen Zolibats. Die Unterzeichneten haben sich bis jetzt auch gar nicht zu einer gemeinsamen Ansicht daruber verstandigt, was sie uber die Sachfrage selbst im einzelnen meinen. Aber sie sind alle davon uberzeugt, da? eine solche Uberprufung auf hoher und hochster kirchlicher Ebene angebracht, ja notwendig ist, Nur dazu soll im folgenden etwas gesagt werden, nicht aber schon zum konkreten Inhalt einer solchen "Diskussion" selbst. Die Unterzeichner bitten die deutschen Bischofe, die hier unternommenen Uberlegungen in keiner Weise als eine Bekampfung dos Zolibats selber mi?zuverstehen.

Wir sind davon uberzeugt, da? die freigewahlte Ehelosigkeit in Sinne von Mt 19 nicht nur eine sinnvolle Moglichkeit christlicher Existenz darstellt, die fur die Kirche als Zeichen ihres eschatologischen Charakters zu jeder Zeit unabdingbar ist, sondern da? es auch gute theologische Grunde fur die Verbindung von freigewahlter Ehelosigkeit und priesterlichem Amt gibt, weil dieses Amt seinen Trager eben endgultig und umfassend in den Dienst Christi und seiner Kirche nimmt. In diesem Sinne bejahen wir, was jungst in dem "Schreiben der deutschen Bischofe uber das priesterliche Amt" zum Zolibat gesagt wurde (vgl. Nr. 45,4.Absatz; Nr. 53,2.Ab­satz). Und in diesem Sinne sind wir auch davon uberzeugt, da? unbeschadet des Ausgangs der Diskussion das ehelose Priestertum eine wesentliche Form des Priestertums in der lateinischen Kirche bleiben wird. Es ist daruber hinaus klar, da? in unserer Kirche fur den Weltklerus - im Unterschied zur protestantischen Praxis - auch im psychologischen und gesellschaftlich-offentlichen Bewu?tsein ein eheloses Priestertum als echte und reale Moglichkeit bestehen bleiben mu?, wobei das ehelose Leben durchaus als Verpflichtung auch der Kirche gegenuber ubernommen wird. Es unterliegt auch keinem Zweifel, da? die schon geweihten Priester selbstverstandlich nicht einfach generell und durch eine neue, moglicherweise modifizierte Gesetzgebung, wie immer sie ausfallen sollte, aus ihrem Versprechen bei der Weihe entlassen werden konnten. Im Prinzip bleibt der einmal frei ubernommene Zolibat verbindlich und kann nicht in eine Verpflichtung auf Widerruf umgewandelt werden. Von diesen Grunden her braucht eine echte Diskussion des Zolibatsgesetzes die Verwirrung in unseren Priesterseminaren nicht bis zur Unertraglichkeit zu steigern oder zur weitgehenden Suspendierung aller Entscheidungen bei jungen Menschen zu fuhren. Unsere Bitte ist also auch nicht einfachhin mit der Art der Erorterung oder der "Losung" dieser Frage in Holland zu identifizieren, wenn auch die gemeinsame Not und die Dringlichkeit des Problems fur die ganze Weltkirche nicht au?er acht gelassen werden durfen.

Die Fragerichtung der hier gemeinten Uberprufung geht folglich nur dahin, ob die bisherige Weise, in der die priesterliche Existenz realisiert wird, in der lateinischen Kirche die einzige Lebensform sein konne und bleiben musse. Die ofter vorgetragenen Einwande gegen eine solche Uberprufung sind bekannt; Es konne konkret nur eine Form des priesterlichen Lebens geben; im Falle der Zulassung anderer Lebensformen sei zu erwarten, da? der ehelose Priester aussterben wurde. Wir verkennen diese Grunde nicht. Wer aber von vornherein deswegen eine solche Klarung fur uberflussig halt, scheint uns wenig Glauben an die Kraft dieser Empfehlung des Evangeliums und an die Gnade Gottes zu haben, von der er dann an anderer Stelle wieder behauptet, sie - also nicht das blo?e "Gesetz" - wirke diese Gnadengabe Christi.

II

Eine solche Uberprufung kann stattfinden. - Es ist theologisch einfach nicht richtig, da? man in neuen geschichtlichen und gesellschaftlichen Situationen etwas nicht uberprufen und in diesem Sinne "diskutieren" konne, was einerseits ein menschliches Gesetz (Gebot der Ehelosigkeit) in der Kirche ist und was als eine anerkannte Wirklichkeit in einem anderen Bereich der Kirche als reale Ubung besteht (vgl. die Ostkirchen). Das Gegenteil zu behaupten, wird durch kein ernsthaftes theologisches Argument gestutzt. Wenn gesagt wurde, der oberste Hirte der Kirche verbiete eine solche "Diskussion" und er habe dafur mindestens psychologisch sehr gute und darum auch schwerwiegende Grunde (weil namlich eine weitere Diskussion den faktischen Willen zum Zolibat in der Kirche untergrabe), so ist zu dieser Argumentation mindestens folgendes zu sagen:

a) Bei der Stellung, die die kirchliche Lehre des II. Vatikanischen Konzils den Bischofen zuweist, konnen die Bischofe durch eine solche papstliche Erklarung (sie einmal im obigen Sinne vorausgesetzt) nicht aus ihrer eigenen Verantwortung entlassen werden, diese Frage auch selbst und eigens neu zu uberdenken; diese Verantwortung kann ihnen auch der Papst nicht abnehmen. Sie sind keine Beamte des Papstes oder lediglich Exekutoren des papstlichen Willens, sondern als Kollegium (mit dem Nachfolger Petri) selbst Trager hochster Entscheidungsgewalt in der Kirche. Als solches Kollegium sind sie auch mindestens anzuhorende Ratgeber des Papstes (auch wo der Papst von seiner eigenen Primatialgewalt Gebrauch macht!) , selbst wenn ein solcher Rat ungern gehort wurde (vgl. Paulus und Petrus: Gal 2). Um diese Aufgabe aber erfullen zu konnen, mussen die Bischofe unter sich und kollegial in eigener Initiative eine solche Frage prufen. Wenn schon ein einfacher Untergebener Recht und Pflicht hat, sich zu fragen, ob er den ihn Ubergeordneten nicht in wichtigen Dingen ungefragt Bedenken und Warnungen vortragen durfe und musse, um wieviel mehr gilt dies auch fur die Bischofe in der katholischen Kirche, auch gegenuber dem Papst. Und eben dies verlangt eine eigene Prufung der Angelegenheit.

Es ware viel besser gewesen, die verantwortlichen Amtstrager der Kirche hatten schon vor ein paar Jahren ernsthaft und genau die entstandene Situation gepruft. Dann waren die notwendigen Uberlegungen wahrscheinlich in einer Atmosphare vorlaufen, die der Sache gunstiger gewesen und nicht mit so viel Emotionen geladen worden ware. Dies andert aber nichts daran, da? die erwahnte Uberprufung heute noch dringender geworden ist.

b) Eine Diskussion ist bekannterma?en schon in Gang, und es ist eine Tatsache, mit der hart und nuchtern zu rechnen ist, da? diese Auseinandersetzung weitergeht. Wenn sie nicht auf hoher und hochster Ebene fortgefuhrt wird, dann sicher auf den niedrigeren Stufen (ganz abgesehen von den Massenmedien). Wenn sie aber nur hier weitergefuhrt wird, dann ist zu erwarten, da? sie Formen annimmt, welche die Bischofe vor au?erst schwierige Situationen stellen, die sie nicht leichten Herzens zulassen konnen, z. B. offentliche Abstimmungen, die ihrer Autoritat aufs hochste schaden; kollektiv sich au?ernder Ungehorsam; Massenaustritte von Priestern aus ihrem priesterlichen Beruf usw. Es ist - wie schon das Beispiel Roboams im Alten Testament beweist - auch nicht wahr, da? jede Harte in der Aufrechterhaltung einer Position zum Sieg und jedes "Nachgeben" zum Untergang fuhrt (vgl. l Kg 11 - 12). Diejenigen, welche entschieden fur die bisherige Zolibatsgesetz­gebung eintreten, hatten sich im Laufe der letzten Jahre in einem Geist des Mutes und des personlichen Engagements auch durch praktisch uberzeugende Argu­mente einsetzen sollen, also in einer "offensiven" Taktik. Stattdessen hat man sich doch weitgehend hinter dem "Gesetz" verschanzt, und lie? Regenten, Spirituale und andere an der konkreten Front kampfen. Diese Situation kommt nun an den Tag und drangt unaufhaltsam nach einer genuinen Antwort.

III

Solche Erwagungen in Sinne einer Uberprufung mussen angestellt werden. - Es ist nicht wahr, da? in dieser Frage alles klar bzw. sicher sei und da? man nur mit Gottvertrauen und Mut an dem Bisherigen festhalten musse. Man mu? ehrlich zugeben, da? die Enzyklika "Sacerdotalis Coelibatus" vom 24. Juni 1967 uber vieles nichts sagt, woruber hatte gesprochen werden mussen, und da? sie in manchem sogar hinter der Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils zuruckbleibt (ganz abgesehen von der gewahlten Sprachform, in der uber diesen Sachverhalt die Rede ist). Auf jeden Fall ist sie hochst ineffizient geblieben und hat bei jungen Priestern eher den Eindruck erweckt, hier werde etwas verteidigt, was dann doch fallen werde, so wie es in manchen Ruckzugsgefechten der amt­lichen Kirche geschehen ist (vgl. z.B. nur die verschiedenen Phasen der Liturgiereform). Es ist sehr vieles ge­nauer zu uberlegen hinsichtlich psychologischer, soziolo­gischer, rechtlicher, spiritueller, moralischer und theologischer Fragen und in Blick auf die haufig zu sehr ubersehenen Probleme der konkreten Lebensform des heutigen ehelosen Priestertums (bis zu den Fragen uber auch heute noch unwurdige Formen, unter denen sich die Dispens von der Zolibatsverpflichtung abspielt).

Es ist auch nicht so, da? das ganze Problem des Priestermangels in Zusammenhang dieser Uberlegungen keine Rolle zu spielen habe. Naturlich ist der Priestermangel nicht allein durch die Zolibatsverpflichtung bedingt, sondern hat auch viele andere und tiefer liegende Grunde. Es ware aber dennoch falsch, daraus zu schlie?en, da? die beiden Dinge gar nichts miteinander zu tun hatten. Wenn ohne Modifizierung der Zolibatsgesetzgebung ein genugend gro?er Priesternachwuchs nicht zu gewinnen ist – und diese Frage ist auch fur unser Land immer noch bedrohlich offen - , dann hat die Kirche einfach die Pflicht, eine gewisse Modifizierung vorzunehmen. Die Uberzeugung, da? Gott auf jeden Fall genugend ehelose Priester durch seine Gnade zu allen Zeiten erwirken werde, ist eine gute und fromme Hoffnung, theologisch aber unbeweisbar und kann in diesen Uberlegungen nicht der einzige, ausschlaggebende Gesichtspunkt bleiben. Gerade die jungen Priester, die noch einen gro?en Teil ihres priesterlichen Lebens und ein steigendes Ausma? ihres Dienstes fur die Kirche vor sich sehen, fragen sich angesichts dieses akuter werdenden Priestermangels, wie diese Lebensprobleme der Kirche und ihres eigenen Amtes in einigen Jahren noch gemeistert werden konnen, wenn sie selbst einmal gro?ere Verantwortung ubernehmen mussen. Fur sie genugt der ideale Blick nach ruckwarts nicht, auch wenn sie selbst an der von ihnen gewahlten Lebensform festhalten.

Es ist auch dringend vor der Argumentation zu warnen, die Zahl der wirklichen Katholiken werde in Zukunft sehr rasch so klein sein, da? auch ein zahlenma?ig kleiner eheloser Klerus genugen werde. Wenn wir vielleicht auch aus den verschiedensten Grunden eine solche Entwicklung in etwa vorauszusehen haben, so darf so etwas dennoch nicht zum Grund eines resignierenden Defaitismus oder zu einer Ideologie des "kleinen Restes" gemacht worden. Die Kirche mu? missionarische Krafte zur Offensive haben, wo immer eine solche moglich ist. Die bisherige Zolibatsgesetzgebung kann jedenfalls nicht zum absoluten Fixpunkt der Uberlegungen gemacht werden, nach dem sich alle anderen kirchlichen und pastoralen Erwagungen ausschlie?lich zu richten hatten. Wenn bei allen "schwersten Bedenken" selbst der Papst offenbar die Vorstellung der Weihe alterer verheirateter Manner ("viri probati") nicht von vornherein und schlechterdings als indiskutabel zuruckweist (sie wird ja auch in einigen Fallen schon praktiziert), dann ist doch schon damit gesagt, da? neue Uberlegungen die bisherige Zolibatsgesetzgebung und -praxis uberprufen konnen. Wir mussen auch - soweit wir unsere Theologiestudenten kennen - gestehen, sehr oft den Eindruck zu haben, da? die jetzige Regelung bei uns in einen nicht unerheblichen Ausma? nicht blo? zu einer Schrumpfung der Zahl der Priesteramtskandidaten, sondern auch zu einer Senkung der Begabung, damit faktisch der Anforderungen und auch der Einsatzfahigkeit der kunftig noch zur Verfugung stehenden Priester fuhrt; dies gilt unbeschadet einer sehr kleinen Zahl hochbegabter Theologen, die nicht selten uber ein Zweitstudium zu uns sto?en. Diejenigen, die ihrem Bischof versichern, sie hatten hinsichtlich der Ubernahme des Zolibats keine Schwierigkeiten, haben dadurch noch langst nicht bewiesen, da? sie fur die Weihe geeignet sind.

Dabei bleibt auch die Frage noch offen, wie weit solche Erklarungen wirklich ohne innere Vorbehalte gegeben werden und von den Bischofen ernst genommen werden konnen. Jungste Erfahrungen be­legen dies fast uberall. Die gegebenen oder zu befurchtenden Abstimmungsergebnisse uber den Zolibat unter den Alumnen veranlassen ihrerseits sehr ernste Bedenken. Die wirkliche Lage ist in den meisten Konvikten und Seminaren hochst alarmierend.

IV

Wo es sich um eine Sache handelt, die kein Dogma im strengen Sinne ist, hat auch ein kirchlicher Gesetzgeber die Pflicht, die Auswirkungen seiner Gesetzgebung (einschlie?lich des Festhaltens an einer solchen) gebuhrend mitzuberucksichtigen. Dabei mu? zuerst an jene Auswirkungen gedacht werden, die einerseits voraussehbar sind und anderseits einen gro?eren Schaden (im Vergleich zum Guten seiner Absichten) bewirken. Dies gilt auch dann, wenn diese Auswirkungen "an sich" nicht zu sein brauchten und in gewisser Weise eine nicht sein sollende Reaktion derer darstellen, die von einem solchen "Gesetz" betroffen werden. Auch ein kirchlicher Gesetzgeber kann nicht blo? sagen: Unser "Gesetz" und unsere Absichten sind an und fur sich inhaltlich gut, formal legitim und konnen nur gute Folgen haben, sofern dieses "Gesetz" (wie es sein sollte) beachtet wird. Jeder Gesetzgeber mu? auch die faktischen Folgen seiner Anordnungen mitbedenken. Diese einfache, im ersten Augenblick abstrakt erscheinende, aber keineswegs nebensachliche Erwagung scheint nicht uberall hinreichend angestellt zu werden. Wir haben diese Frage schon objektiv von seiten der Erfullung des kirchlichen Auftrags und des Amtes her in den Blick gefa?t (Vorrangigkeit des pastoralen Heilsdienstes, Priestermangel, qualitative Anforderungen an den Priester usf.). Dieses Problem ist aber auch von der Realisierbarkeit des ehelosen Lebens des heutigen jungen Priesters her zu bedenken (vgl. z.B. die Frage der hauslichen Versorgung - "Haushalterin"; Die zunehmende Vereinsamung und der Verlust echter "Anerkennung" bei vielen Priestern inmitten vieler Gemeinden; die Unsicherheit des Priesterbildes; die Entscheidungsschwache und die psychische Labilitat vieler junger Menschen, in der heutigen sexuell uberreizten Gesellschaft ein "gesundes" eheloses Leben fuhren zu konnen usw.). Die dadurch im ganzen stark veranderte Situation ist fur sich noch kein durchschlagendes Argument gegen das Zolibatsgesetz, verlangt aber eine sehr ernsthafte Uberprufung der Frage unter sehr vielen Gesichtspunkten.

V

1. Die Neuuberprufung der Zolibatsfrage mu?te von den deutschen Bischofen zunachst unter sich geschehen. Selbstverstandlich waren dabei Fachleute aus allen Gebieten heranzuziehen, die fur eine wirkliche Klarung dieser Frage in Betracht kommen. Es ist auch nicht einzusehen, warum hierbei nicht unbefangene unmanipulierte und wirkliche Vertretungen der Priester und vor allem der jungeren Geistlichen herangezogen werden konnten. In einem anderen Falle wurde der Episkopat nur den Eindruck erwecken, er glaube gar nicht wirklich an die innere Kraft der evangelischen Empfehlung des ehelosen Lebens "um des Himmelreiches willen", sondern nur an die Macht einer formalen Autoritat. Eine solche positive Bestandsaufnahme und Aufarbeitung des Problems mu? auch deswegen stattfinden, weil die Sache des Zolibats selbst unter den Bedingungen der heutigen Offentlichkeit und Gesellschaft - soweit dies nur geht - bei allem Wissen um sehr deutliche Grenzen dieses Bemuhens verstandlich und sinnvoll dargestellt werden mu?. Er wird ein "Argernis" bleiben, aber dies entbindet nicht, ihn mit den besten Grunden werbend zu empfehlen, falls eine Uberprufung ernsthaft angestellt wird und zu positiven Ergebnissen kommen kann (vgl. auch oben Abschnitt l). Wenn wir auch wissen, da? der Zolibat primar eine Frucht geistlicher Erfahrung ist, so mussen wir doch auch als Vertreter der theologischen Wissenschaft auf diese positive, klarende und unumgangliche Funktion einer Uberprufung aufmerksam machen.

2. Wir sind daruber hinaus auch der Uberzeugung, da? der deutsche Episkopat bei Paul VI. fur eine ernsthafte Uberprufung der Zolibatsgesetzgebung und seiner eigenen Erklarungen und Ma?nahmen eintreten sollte. Dazu haben die Bischofe das Recht und nach unserer Meinung in der heutigen Situation auch eine wirkliche Pflicht. Eine echte "Diskussion", die schon langst an die Stelle des offentlichen Geredes hatte treten sollen, wurde auch hier kein Prajudiz fur eine negative Losung der Frage bedeuten. Eine solche Uberprufung sollte nicht unter der Voraussetzung erfolgen, Kirche und Papst standen einfach vor den Dilemma, den Zolibat "abzuschaffen" oder ohne jede Nuance an der bisherigen Gesetzgebung und Praxis festzuhalten. Dieses Dilemma besteht in dieser Form nicht. Wir sind der Uberzeugung, da? diese Frage von Rom nur in einer wirklich echten und kollegialen Zusammenarbeit mit dem Episkopat der Welt geklart werden kann. Jedes weitere Vorgehen nach Art der letzten Schritte gefahrdet die effektive Autoritat des kirch­lichen Amtes (des Papstes und der Bischofe) auf das au?erste. Wir bitten die deutschen Bischofe angesichts der jungsten Entwicklungen in dieser Frage um eine baldige Intervention in Rom. Die Erfahrungen, die man mit "Humanae vitae" und auch in dieser unserer Frage (gerade in den letzten 10 Tagen) bisher gemacht hat, zeigen, was sich ereignet und wie die Schwierigkeiten sich geradezu tragisch steigern, wenn diese Zusammenarbeit fehlt. Eine solche Meinung bestreitet oder beschrankt den papstlichen Primat nicht. Sie ist nur die Anwendung des selbstverstandlichen Satzes, da? auch der Papst bei seinen Entscheidungen die "apta media" zur Findung einer richtigen Entscheidung anwenden mu?. In der heutigen Situation gehort eine solche Zusammenarbeit mit dem Weltepiskopat, die kein blo?es "Scheingefecht" ist, praktisch fur solche Fragen wie die eben genannten, zu diesen "apta et - hodie necessaria - media".

Unsere Stellungnahme wird man vielleicht mit dem Urteil der Zwiespaltigkeit oder gar der Widerspruchlichkeit belegen oder ubergehen. Die tatsachlichen Schwierigkeiten liegen aber in der vielfach verwirrten objektiven Situation, die ein Ergebnis vieler Faktoren ist. Wir wollten uns dieser Lage stellen, ohne die Kraft und den Anspruch des Evangeliums zu ubergehen. Wir haben den deutschen Bischofen keine Vorschriften zu machen. Wir haben aber das Recht und die Pflicht, in dieser notvollen Situation den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz auf Grund unseres Amtes als Theologen und unseres Auftrags als Consultoren in aller Ehrfurcht vor ihrem hohen und verantwortungsvollen Amt zu sagen, da? sie in der Zolibatsfrage eine neue Initiative ergreifen mussen und weder durch die bisherige Praxis der Kirche noch durch die Erklarungen des Papstes allein sich davon dispensiert halten durfen.

9. Februar 1970

gez. Ludwig Berg, Mainz

gez. Alfons Deissler, Freiburg

ges. Richard Egenter, Munchen

gez. Walter Kasper, Munster

gez. Karl Lehmann, Mainz

gez. Karl Rahner, Munster-Munchen

gez. Joseph Ratzinger, Regensburg

gez. Rudolf Schnackenburg, Wurzburg

gez. Otto Semmelroth, Frankfurt

 
 

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