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Lieber Ein Priester Mit Frau … The Zeit January 31, 2011 http://www.zeit.de/2011/05/P-Kirche-Zoelibat … als eine Gemeinde ohne Priester. Der Pflichtzolibat fur katholische Geistliche muss abgeschafft werden. Die Zuschriften sind zahlreich, oft kurz und heftig: »Der unsagliche Kirchenrechtsparagraf, der den Zwangszolibat fordert, kann eine Menschenrechtsverletzung genannt werden.« »Ich mochte an Ihr Gewissen appellieren, die katholischen Laien nicht zu verunsichern und gegen ihre Heilige Kirche aufzuhetzen.« »Fasziniert und gleichzeitig mit Befremden wundere ich mich daruber, dass sich Politiker in solche Kircheninterna, wie den Zolibat und Priesterberufe, einmischen.« Der Brief, den ich gemeinsam mit einigen anderen katholischen Christen an die deutschen Bischofe geschrieben habe, erregt die Gemuter. Ich mochte unser Anliegen daher erlautern. Nein, wir sind nicht »gegen den Zolibat«, schon gar nicht »gegen die Bischofe«, die wir auch nicht mit »Forderungen« konfrontieren, sondern mit einer Bitte. Und diese dringende Bitte ist entstanden aus lebenslanger kirchlicher Verbundenheit, tiefer Sorge und wachsender Ungeduld. Wir sind ein Kreis politisch engagierter, katholischer Christen, die sich seit mehr als 30 Jahren immer wieder in der offentlichen Diskussion zu politischen und kirchlichen Grundsatzfragen zu Wort gemeldet haben. Wir sprechen nicht im Namen einer Partei, auch nicht fur »die« Katholiken, sondern fur uns – und wie die Reaktionen auf unseren Brief zeigen, fur viele engagierte Laien und Priester. Nicht aus einer spontanen Laune, sondern nach grundlicher Befassung halten wir es fur dringend geboten, die deutschen Bischofe im Lichte der besorgniserregenden Zunahme des Priestermangels zu bitten, die Zulassung von viri probati, also bewahrten verheirateten Mannern, zur Priesterweihe zu ihrem eigenen Anliegen zu machen und sich dafur in der Gemeinschaft der Bischofe der Weltkirche und vor allem in Rom mit Nachdruck einzusetzen. Gegebenenfalls sollte auch eine regionale Ausnahmeregelung fur Deutschland in Erwagung gezogen werden. Alle, zum Teil durchaus berechtigten Grunde, an der bisherigen traditionsreichen, wenn auch nicht durch ein Gebot Christi unabweisbaren Praxis festzuhalten, wiegen unseres Erachtens nicht so schwer wie die Not vieler priesterloser Gemeinden, in denen die sonntagliche Messfeier nicht mehr moglich ist, und die wachsende Gefahr, dass die wenigen, noch zur Verfugung stehenden Priester, denen unsere Hochachtung und Solidaritat gehort, sich in ihrem Bemuhen, standig zunehmender Belastung gerecht zu werden, aufreiben. Zur Verdeutlichung der Entwicklung nur wenige Zahlen: 1960 waren knapp 15.500 Geistliche in der Pfarrseelsorge tatig, derzeit sind es noch 8500. Gerade noch 150 Manner wollten 2010 in Deutschland katholische Priester werden, 2006 waren es noch 211. Tatsachlich halt der Abwartstrend schon langer an: In den vergangenen zehn Jahren hat die katholische Kirche nicht weniger als 20 Prozent ihrer aktiven Priesterschaft verloren. In vier Jahren – so schatzt das Erzbistum Koln – konnen voraussichtlich etwa 60 Priesterstellen nicht mehr besetzt werden. Das Erzbistum Paderborn hat bereits 2009 angekundigt, dass die Pastoralverbunde von 213 auf 100 zu reduzieren sind, im Ruhrgebietsbistum Essen sollen 100 von 350 Kirchen geschlossen werden. Die durch den Priestermangel unvermeidliche Zusammenfassung fruherer selbstandiger Pfarreien fuhrt zu Gro?enordnungen, die noch vor wenigen Jahren fur undenkbar, jedenfalls unvertretbar gehalten wurden. In einer Gro?pfarrei wie Gelsenkirchen-Buer zum Beispiel gibt es heute 40.000 Kirchenmitglieder. Wie soll da eine personliche Seelsorge moglich sein? Im Bistum Munster wurden im vergangenen Jahr erstmals in der uber tausendjahrigen Bistumsgeschichte mehr Bischofe (drei) geweiht als Priester (zwei). Wer angesichts dieser Situation weiter eisern am uberkommenen Pflichtzolibat festhalt, fuhrt die Gemeinden sehenden Auges in den seelsorgerischen Notstand. Das Problem ist nicht neu und die Debatte auch nicht. Wir erinnern unsere Bischofe an ihre wahrend der Gemeinsamen Synode der Bistumer in der Bundesrepublik Deutschland, die von 1971 bis 1975 im Dom zu Wurzburg tagte, gegebene Zusage. Wenn die Kirche »in Zukunft uber langere Zeit durch akuten Priestermangel gezwungen sein sollte, die Leitung vieler Gemeinden… Laien anzuvertrauen«, dann bleibe auf langere Sicht gar nichts anderes ubrig, als viele »der Laien, die sich im Gemeindedienst bewahrt haben, als viri probati fur die Ordination« zuzulassen. So der heutige Kardinal Kasper vor 40 Jahren in seiner Einleitung zur Beschlussfassung »Pastorale Dienste«. Seit damals sind die Probleme nicht kleiner, sondern gro?er geworden. Wir begru?en, dass in letzter Zeit einige Bischofe (Bamberg, Hamburg, Salzburg, Sitten) offentlich die Priesterweihe von viri probati zur Diskussion gestellt haben. Auch unter den Dogmatikern und Fundamentaltheologen gibt es seit Jahrzehnten ein vielstimmiges Pladoyer fur die Weihe von viri probati zu Priestern, ohne dass daraus bisher praktische Konsequenzen gezogen worden waren. So hat zum Beispiel unser heutiger Papst Benedikt XVI. schon 1969 im Hinblick auf das Jahr 2000 gemeint: »Die Kirche der Zukunft wird klein werden… Sie wird auch gewisse neue Formen des Amtes kennen und bewahrte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen.« Das Zweite Vatikanische Konzil hat einst mit Blick auf die Ostkirche unmissverstandlich festgehalten: »Das Wesen des Priestertums erfordert das Eheverbot nicht.« So auch der Freiburger Erzbischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch, der noch vor drei Jahren offentlich erklarte, der Zolibat sei »theologisch nicht notwendig«, wenn auch gewiss »ein Geschenk«. Sicher, es gibt gute, durchaus beachtliche Grunde fur den Zolibat. Der Zolibat schafft eine Freiheit fur den priesterlichen Dienst, sich unabhangig von Pflichten des Ehemanns oder Vaters voll und ganz der Seelsorge zu widmen. Aber wie schwer wiegt dieses Argument in einer Situation des akuten Priestermangels, in der immer weniger Priester immer mehr Glaubige zu betreuen haben? Ohne Frage haben wir in Deutschland langst eine au?erordentliche pastorale Notsituation. Vielen Glaubigen wird bereits heute ihr Recht auf die sonntagliche Messfeier vorenthalten oder ihr Wunsch unverhaltnisma?ig erschwert. Eine Reform der Gemeindestrukturen allein kann nicht die einzige Reaktion auf den Priestermangel sein. Und schon gar nicht die scheinbar gro?zugige Ausnahmeregelung fur Priester und Bischofe der anglikanischen Kirche, die nach ihrem Ubertritt als Verheiratete weiter priesterliche Aufgaben in der katholischen Kirche wahrnehmen durfen. Der Beschluss der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im vergangenen Jahr, einen breit angelegten Dialog zu beginnen und dadurch verloren gegangenes Vertrauen zuruckzugewinnen und Felder einer Kirchenreform abzustecken, ist ermutigend. Zumal der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, den Wunsch ausgesprochen hat, uber die Themen zu sprechen, die fur das Leben der Kirche in Deutschland von besonderer Dringlichkeit sind. Bistumer, Gemeinden, auch Menschen, die nicht in der Kirche aktiv sind, sind aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Diese Einladung nehmen wir an, und wir nehmen sie ernst. Laut einer Umfrage von infratest sind 87 Prozent der Deutschen der Ansicht, ein Eheverbot fur das Priesteramt sei nicht mehr zeitgema?. Ein Argument ist das nicht, aber ein Hinweis. Die damit verbundenen Fragen nicht nur zuzulassen, sondern zu beantworten, ware auch ein Signal dafur, dass die katholische Kirche in der Lebenswirklichkeit der Menschen ankommt. |
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