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  „Arrogant Und Kaltschnauzig“

Frankfurter Rundschau
January 27, 2011

http://www.fr-online.de/politik/spezials/missbrauch/-arrogant-und-kaltschnaeuzig-/-/1477336/7130566/-/view/asFirstTeaser/-/index.html

Februar 2010: Priester mit Rosenkranz und einer bischoflichen Erklarung zu den Missbrauchsfallen durch Jesuiten-Pater.

Herr Weiner, vor einem Jahr haben Sie mit anderen den Missbrauchsskandal am Canisius-Kolleg offentlich gemacht. Als Aufklarer gelten jedoch Jesuiten, allen voran der bisherige Schulleiter Mertes. Argert Sie das?

Es gibt ein offentliches Bild von Pater Mertes, das die Rolle der Betroffenen zuruckdrangt. Es waren naturlich Betroffene selbst, die den Prozess ins Rollen brachten. Als die Vorfalle bekanntwurden, haben sie die Aufklarung vorangetrieben und vieles getan, was die Jesuiten hatten tun sollen.

Zum Beispiel?

Die Aufarbeitung der Ereignisse und die Rekonstruktion der Ablaufe. Da haben die Betroffenen viel selbst geleistet, was dann in die offiziellen Untersuchungsberichte einfloss.

War der Missbrauch denn vorher nie ein Thema?

Die Geruchte gab es schon lange. Unter den Altschulern war das Schulgesprach. Es hatte fur die Jesuiten sehr viel fruher die Moglichkeit gegeben, dem nachzugehen.

Kirche und Reformpadagogik unter Druck: Immer mehr Missbrauchsvorwurfe werden laut. Mehr dazu im Spezial.

Sie haben einen Sturm ausgelost und eine gewaltige Krise der katholischen Kirche. Hatten Sie das erwartet?

Nein, keiner von uns. Es war uns klar, dass es am Canisius-Kolleg viele Opfer geben musste. Uns war aber nicht bewusst, dass dies an anderen jesuitischen und anderen katholischen Einrichtungen so weit reichte.

Wie haben Sie dieses Jahr erlebt, wie hat sich Ihr Leben verandert?

Ich kann mir selbst gegenuber offener sein und mit anderen offener uber das Geschehene reden. Ich kann selbstbewusster mit den Erfahrungen umgehen.

Hatten Sie denn die Erlebnisse vorher verdrangt?

Verdrangt nicht. Aber das sind ja Geschehnisse, die man nicht permanent vor Augen haben mochte. Man wei?, man ist behindert dadurch, aber man mochte sich nicht dauernd erinnern. Die Erinnerungen kamen aber immer wieder hoch.

Wie schwer war es fur Sie, sich offentlich zu erinnern?

Am Anfang habe ich mit einem Journalisten gesprochen, dann mit der Familie und Bekannten. Das fiel mir sehr schwer.

Wie haben Sie die Reaktionen der Jesuiten erlebt?

Die Jesuiten waren zuerst sehr zogerlich. Dann haben sie eingewilligt, am Eckigen Tisch mit uns zu reden. Das war sehr konfrontativ. Aber unser Eindruck war, dass das auch etwas bewirkt hat.

War es so?

Das Gesprach riss wieder ab. Ein zweites Treffen, bei dem es um die konkreten Forderungen ging, verlief schon wesentlich kuhler. Danach gab es gar kein Gesprach mehr mit den Jesuiten.

Als es ums Geld ging, war es vorbei?

Das hat sich uns so dargestellt. Als es um die Hilfe und die Anerkennungsleistung ging, war die Reaktion kuhl. Und wir waren ziemlich deprimiert.

Die Jesuiten bieten Ihnen 5000 Euro. Der Ordensobere meint, sie gingen an die Grenzen ihrer finanziellen Moglichkeiten.

Das glauben wir nicht. Diese Summe wird den Jesuiten nicht sonderlich wehtun, sie werden es aus ihrem Etat bezahlen. Deswegen werden sie kein Grundstuck oder etwas anderes verkaufen.

Halten Sie dann auch die offentliche Reue fur unglaubwurdig?

Reue zeigt sich nicht nur in Worten, sondern auch in einer Suhneleistung. Ich bezweifle, dass das eine ehrliche Reue ist. Bei vielen von uns ist die Wut gro?.

Wie blicken Sie heute auf den Orden?

Die Jesuiten galten ja immer als eine Elite unter den Kirchenleuten. Das sehe ich nun komplett anders. Die Jesuiten agieren nicht anders als eine andere Organisation, die in einer Krise versucht, fur sich selbst das Beste draus zu machen ? und moglichst sogar noch mit einem Imagegewinn aus der Krise hervorzugehen.

Dieser Wunsch, die Krise moge die Kirche starken, wird ja in jungster Zeit haufiger von Bischofen ausgedruckt.

Das erschreckt mich sehr. Ich halte das fur arrogant und kaltschnauzig.

 
 

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