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  Missbrauch: Generalvikar Helmut Schuller Kritisiert Kardinal Schonborn

By Emil Bobi
The Profil
January 22, 2011

http://www.profil.at/articles/1103/560/286985/missbrauch-generalvikar-helmut-schueller-kardinal-schoenborn

Der ehemalige Caritas-Prasident und Generalvikar Helmut Schuller kritisiert Kardinal Schonborn und andere Bischofe. Sie hatten seit Langem von Missbrauchsfallen gewusst, aber nicht ausreichend reagiert.

Wahrend man sich bei der Opferschutzkommission unter der fruheren steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic langsam Gedanken uber ein Ende der Meldefrist fur Missbrauchsopfer macht, schlagt die „Plattform fur Betroffene kirchlicher Gewalt“, die „Gegenveranstaltung“ zur Klasnic-Kommission, immer hartere Tone an: Man habe mittlerweile 400 Tater „identifiziert“, 300 davon lebten noch. Um den „Druck auf Kardinal Christoph Schonborn zu erhohen“, will die Plattform demnachst alle 300 beschuldigten Kirchenleute auffordern, innerhalb einer gesetzten Frist Selbstanzeige zu erstatten. Und die Plattform droht, nach Verstreichen des Ultimatums alle personlichen Daten zu veroffentlichen.

Das konnte auch ins Auge gehen: Viele der als Tater beschuldigten Personen wurden von der Plattform noch nicht einmal kontaktiert, um deren Stellungnahmen einzuholen. Mit der namentlichen Veroffentlichung wurden zahlreiche Personen weitgehend ungepruft einer vielleicht sogar strafrechtlich relevanten Tat beschuldigt.

Die Plattform plant freilich auch, eine Strafanzeige gegen den Wiener Erzbischof Christoph Schonborn einzubringen. Der Vorwurf: Duldung einer kriminellen Tat. Schonborn habe nach dem Auffliegen von Missbrauchsfallen die betroffenen Tater nicht aus dem Verkehr gezogen, sondern nur an andere Dienstorte versetzt, wo manche wieder tatlich geworden seien.

Um das zu untermauern, verweist man auf Holger Eich, einen fruheren Mitarbeiter der Ombudsstelle fur sexuellen Missbrauch der Erzdiozese Wien. Eich hatte im Oktober vergangenen Jahres in mehreren Medien behauptet, Schonborn habe immer schon von den Missbrauchsfallen gewusst. Die Tageszeitung „Der Standard“ zitierte Eich am 24. November: „Er war stets informiert und hatte immer alle Falle auf dem Schreibtisch.“ Auch uber die vielen erst jungst bekannt gewordenen Falle sei der Kardinal „mit Sicherheit“ informiert gewesen. Eich weiter: „Naturlich ist man nicht ganz untatig gewesen und hat in verschiedenen Fallen Therapien bezahlt. Aber in zahlreichen Fallen ist halt gar nichts passiert. Schonborn ist immer informiert, aber letztlich eben entscheidungsschwach gewesen.“ Ex-Caritas-Direktor Helmut Schuller leitete die Ombudsstelle fur sexuellen Missbrauch in Wien, bevor er 2005 nach zehnjahriger Tatigkeit ausschied.

Schuller relativiert im Gesprach mit profil die Aussagen Eichs, mit dem er damals zusammenarbeitete. Schuller: „Die offentlichen Aussagen von Holger Eich sind im Grunde richtig, doch schienen sie mir etwas undifferenziert. Es ist richtig, dass wir Kardinal Schonborn in vielen Fallen in Kenntnis gesetzt haben. Wegen der Langsamkeit, mit der oft reagiert wurde, haben wir immer wieder darauf gedrangt, etwas zu tun. Nicht richtig ist, dass nie etwas passiert ist. Es ist immer wieder etwas geschehen, und es wurde meines Wissens auch nie jemandem geraten, auf eine Anzeige zu verzichten.“

Doch nicht nur Schonborn habe von Ubergriffen gewusst. Schuller: „Wir haben auch anderen Bischofen Falle bekannt gemacht, die in deren Diozesen vorgefallen waren.“

System ungeeignet. Schuller beklagt, „dass unsere Arbeit nicht in wunschenswerter Weise funktioniert hat, weil auf Struktur­ebene wenig weitergegangen ist.“ Sein Fazit: „Das System war nicht geeignet, richtig zu reagieren.“

Ihm personlich sei es nicht nur um die Falle im Einzelnen gegangen, sondern auch um „strukturelle Anderungen im Umgang damit“. Wichtig sei ihm gewesen, eine hohere Sorgfalt bei der Auswahl des Personals an den Tag zu legen, bis hin zu den ehrenamtlichen Mitarbeitern. Aber die Osterreichische Bischofskonferenz, der richtige Adressat fur Schullers Anliegen, habe nicht reagiert. Schuller: „Ich habe bei der Bischofskonferenz angeregt, dass sich die Bischofe gegenseitig uber Problempersonen informieren. Etwa uber Mitglieder der Ordensgemeinschaften, die in die Diozesen ubertreten. Oder uber Priester, die aus dem Ausland nach Osterreich kommen. Doch manche in der Bischofskonferenz fanden das nicht so dringlich, manche nicht notig, andere fanden das auch gut.“

Seit der „zweiten Welle der Missbrauchsskandale“ aus dem Vorjahr sei man in der Kirche aber „auf dem richtigen Weg. Was dabei tatsachlich umgesetzt wird, wird man sehen.“ Nach der „ersten Welle vor einigen Jahren dachten die meisten in der Kirche noch an Verleumdung durch die Medien, an falsche Anschuldigungen. Viele wollten es gar nicht wissen. Jetzt gibt es doch einen Schub in Richtung Realitatserkennung.“

Seine Arbeit innerhalb des „nicht geeigneten“ Systems der Ombudsstelle und seine nicht wirklich vorhandene Unabhangigkeit hatten ihn letztlich aufgerieben und zum Ausstieg bewogen. Schuller: „Ich war der Meinung, dass der Posten als Leiter der Ombudsstelle von einer unabhangigen Person bekleidet werden sollte, die keine Vorgesetzten hat. Ich war zehn Jahre im Amt und seelisch-psychisch ausgelaugt. Man wird zum Feigenblatt, wenn Grundsatzliches nicht stimmt.“

Erich Leitenberger, Sprecher von Kardinal Schonborn, erklart zu den Aussagen Schullers, man habe in Wien – auch unter Mitwirkung von Helmut Schuller – an Richtlinien fur den Umgang mit sexuellem Missbrauch intensiv gearbeitet. Diese seien dann 2004/2005 verabschiedet worden und hatten die Basis der osterreichweiten Richtlinen gebildet, die im Vorjahr in Kraft traten. Leitenberger: „Dass es schwierig war, mit einem Thema richtig umzugehen, mit dem davor nicht richtig umgegangen wurde, ist klar. Und dass es manchmal langer gedauert hat, kann sein. Was Monsignore Schuller sagt, ist richtig, denn es gab in den Diozesen unterschiedliche Geschwindigkeiten. Doch Wien hat eine Vorreiterrolle gespielt, und Kardinal Schonborn war immer fur ganz klares Handeln."

 
 

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