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Die Traumata Bleiben Bayerischer Rundfunk January 22, 2011 http://www.br-online.de/bayern2/zum-sonntag/gedanken-zum-sonntag-warning-ID1295621626121.xml Eine gewaltige Lawine trat er los: Vor einem Jahr hatte Pater Klaus Mertes, der Leiter des Berliner Canisius Kollegs, einen Brief an ehemalige Schuler des Internats verfasst: es sei im Haus immer wieder zu sexuellem Missbrauch gekommen. Er hatte damit Schleusen geoffnet. Das Schreiben von Pater Klaus Mertes endete mit den Satzen: "Seitens des Kollegs mochte ich (…) dazu beitragen, dass das Schweigen gebrochen wird. In tiefer Erschutterung und Scham wiederhole ich zugleich meine Entschuldigung gegenuber allen Opfern von Missbrauchen durch Jesuiten am Canisius-Kolleg." Er hatte damit Schleusen geoffnet. Uberall in Deutschland meldeten sich Menschen, die in kirchlichen wie weltlichen Heimen oder Internaten unter psychischer und physischer Notigung, Erpressung und Gewalt in vielen Formen gelitten hatten. Die Tater wurden zur Rechenschaft gezogen
Viel ist geschehen seitdem: Ein Jahr, in dem das ungeheure Ausma? bekannt wurde, auch in der Offentlichkeit. Ein Jahr, in dem Opfer sich zu Wort meldeten und Wunden offenbar wurden. Ein Jahr auch, in dem, so weit sie noch leben, Tater angehort und zur Rechenschaft gezogen wurden. Jedenfalls moralisch. Und jetzt? Die Wogen der offentlichen Erregung sind abgeebbt. Man hat Beauftrage installiert, Untersuchungen eingeleitet, Aufklarung versprochen, einen Neuanfang zugesagt. Beiden Kirchen versuchen, verlorene Glaubwurdigkeit zuruck zu gewinnen. Ermittlungen, Entschuldigungen, Schadensersatz Die Taten allerdings und ihre schrecklichen Folgen bleiben. Die Traumata. Mit den Verletzungen, die ihnen zugefugt wurden mussen die Opfer leben. Wie die Tater an der Schuld zu tragen haben. All die Frauen und Manner, die denen, die ihnen ans Herz gelegt worden waren, gro?es Leid zugefugt zu haben und sie damit oft genug als Opfer stigmatisiert haben. Ermittlungen, Entschuldigungen, von Fall zu Fall auch Schadensersatz: Das reicht aber nicht. Seelische Schaden lassen sich nicht "ersetzen". Licht in das psychische Dunkel bringen Was also tun? Patentrezepte gibt es nicht, zu unterschiedlich sind die vielen Falle. Manche liegen Jahrzehnte zuruck, oft sind die Tater schon gestorben. Oder sie schweigen und die Opfer haben keine Moglichkeit mehr, das Unbegreifbare, das ihnen angetan wurde, sich doch noch begreifbar zu machen, wenigsten in Ansatzen. Diesen Menschen, durch die sie verletzt wurden, etwa ihre Trauer, ihre Wut, das "Warum" entgegen zu schleudern und, vielleicht, auf eine personliche Antwort zu hoffen. Etwas Licht in das psychische Dunkel zu bringen. Sie bleiben einmal mehr als Opfer allein und einsam. Fuhlen sich vergessen. Das sei opfertypisch, wei? die Psychologie. Wie kann Gott das zulassen? Hier aber geht es um Taten, die im besonderen Kreis der Kirchen geschehen sind. Solche Verletzungen sind deshalb sehr oft auch Wegwunden. Also besondere, geistliche Traumata, die zu Fragen fuhren: Warum hat Gott diese Taten zugelassen, ausgerechnet von Menschen, die vorgeben, in seinem Namen zu handeln? Wie kann das moglich sein? Gotteszweifel, Gottesverletzungen. Gottverlassenheit. Diese Traumata reichen tief in die Seele des Menschen. und in das Zentrum der christlichen Botschaft. Antworten jenseits der ublichen Klischees und Floskeln Eben gerade in der Gottverlassnheit nicht einsam zu sein. Musste Versohnung nicht auch hier, an diesen geistlichen Wundpunkten ansetzen und sich mit solchen Fragen auseinandersetzen, im Versuch, darauf wenigstens annahernd befriedigende Antworten zu finden? Und zwar Antworten jenseits der ublichen Klischees und Floskeln. Es geht schlie?lich um den christlichen Kernbereich: Nachstenliebe, Seelensorge. Und das gerade bei den Menschen, denen die tiefen Wunden von Tatern geschlagen wurden, die aus der Kirche kamen. Gehorte dies nicht auch zur Verantwortung fur die kommenden Jahre? |
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