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  Erzbistum Munchen Soll Missbrauch Systematisch Vertuscht Haben

The Spiegel
December 4, 2010

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,732801,00.html

[Zusammenfassung des Berichts durch Rechtsanwaltin Marion Westpfahl]

Papst Benedikt XVI.: "Katastrophale Aktenpflege" wahrend Amtszeit als Erzbischof

Die katholische Kirche soll Missbrauchsfalle systematisch vertuscht haben. Ein nun veroffentlichtes Gutachten meldet aus dem Erzbistum Munchen und Freising "umfangreiche Aktenvernichtungsaktionen". Auch zur Amstzeit von Joseph Ratzinger habe es eine "katastrophale Aktenpflege" gegeben.

Munchen - Die Ergebnisse eines unabhangigen, kirchlich bestellten Gutachtens fur das Erzbistum Munchen und Freising sind erschutternd: Die katholische Kirche soll Missbrauchsfalle in den eigenen Reihen uber Jahrzehnte hinweg systematisch vertuscht haben. In dem Erzbistum seien in der Vergangenheit immer wieder Akten offenkundig vernichtet worden, um Missbrauch zu verheimlichen, sagte die Gutachterin und Rechtsanwaltin Marion Westpfahl.

"Wir haben es mit umfangreichen Aktenvernichtungsaktionen zu tun", sagte Westphal bei der Vorstellung ihrer Untersuchungsergebnisse fur die Jahre 1945 bis 2009. Statt an das Leid der Opfer zu denken, hatten viele Kirchenmitarbeiter in erster Linie einen Skandal vermeiden wollen. Zum Teil seien Akten in Privatwohnungen weggebracht worden, zum Teil seien sie im Ordinariat fur Unbefugte zuganglich gewesen.

Westphals Kanzlei erstellte das Gutachten auf Basis von Akten und Gesprachen mit Mitarbeitern des Erzbistums in dessen Auftrag. Insgesamt wurden mehr als 13.200 Akten durchforstet - in 365 davon fanden sich Hinweise, "dass ein wie immer geartetes Missbrauchsgeschehen stattgefunden hat".

Dem Gutachten zufolge waren im Erzbistum Munchen und Freising von 1945 bis 2009 mindestens 159 Priester wegen sexuellen Missbrauchs oder korperlichen Misshandlungen auffallig geworden, au?erdem 15 Diakone, 96 Religionslehrer im Kirchendienst und 6 pastorale Mitarbeiter. Die tatsachliche Zahl sei aber wahrscheinlich "wesentlich hoher", sagte die Rechtsanwaltin. Oft lasse sich das Leid der Opfer auch nur erahnen, weil in den Kirchenakten Sexualdelikte oft in vollig verharmlosender Sprache erwahnt wurden.

In nur 26 Fallen wurden Priester in der Vergangenheit wegen Sexualdelikten verurteilt. Das Gutachten kommt allerdings zu dem Schluss, dass mindestens 17 weiteren Geistlichen Sexualdelikte nachgewiesen werden konnen. Zwei Priester wurden wegen sonstiger korperlicher Misshandlungen verurteilt, in 36 weiteren Fallen sehen die Gutachter korperliche Misshandlungen als erwiesen an.

"Katastrophale Aktenpflege" zu Ratzingers Zeiten

Welche Rolle der heutige Papst Benedikt XVI. beim Umgang mit entsprechenden Fallen spielte, konnte das Gutachten nicht eindeutig klaren. Westpfahl erhob keine Vorwurfe gegen den fruheren Munchner Erzbischof Joseph Ratzinger, auch wenn aus dessen Amtszeit von 1977 bis 1982 Unterlagen fehlten. Das Gutachten bescheinigte eine "katastrophale Aktenpflege" wahrend Ratzingers Amtszeit. Bei der Bearbeitung von Verdachtsfallen liege die Verantwortung jedoch jeweils bei den Generalvikaren, sagte Westpfahl.

Lediglich in einem Fall ist laut Westpfahl eine personliche Befassung Ratzingers mit einem Missbrauchsfall in den Akten zu finden. Der Betroffene habe damals wegen sexueller Ubergriffe in einer Pfarrei sudlich von Munchen nicht weiter als Pfarrer arbeiten durfen. Ratzinger hatte ihm auf dessen Klagen hin in einem mehrseitigen Brief die Grunde fur das Vorgehen dargelegt, sagte Westpfahl.

Ob damals Strafanzeige erhoben wurde, sei aufgrund der schlechten Aktenlage nicht sicher. Rechtsanwaltin Westpfahl bezweifelt das, geht aber auch davon aus, dass sich der damalige Erzbischof nicht personlich mit der Frage befasst hatte, da entsprechende Entscheidungen in der Regel beim Generalvikar lagen.

Nach Informationen des SPIEGEL belastet ein Dokument den Papst. Demnach soll sich Ratzinger starker mit dem Einsatz eines padophilen Seelsorgers befasst haben als bisher bekannt war.

Der amtierende Munchner Erzbischof und Kardinal Reinhard Marx sagte, die bekanntgewordenen Falle sexuellen Missbrauchs und korperlicher Gewalt hatten einen gro?en Schock ausgelost: "Fur mich waren es die sicher schlimmsten Monate meines Lebens. Meine Empfindungen waren Scham, Trauer und Betroffenheit." Man wolle den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihr Leid anerkennen, aber auch aus den Fehlern der Vergangenheit die notigen Konsequenzen ziehen. "Wir bitten als Kirche um Vergebung fur das, was Mitarbeiter der Kirche getan haben", so Marx.

 
 

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