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Ein System Der Vertuschung Und Verharmlosung Welt December 3, 2010 http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article11375687/Ein-System-der-Vertuschung-und-Verharmlosung.html Das Erzbistum Munchen und Freising legt den Missbrauchsbericht vor. Es gab fast 400 Falle seit 1949. Viele Akten wurden vernichtet. Schuldgefuhle sind selten.
Die ganze Wahrheit gab es nicht. Das 250 Seiten starke Gutachten zu den Missbrauchsfallen in der Erzdiozese Munchen und Freising wird vorerst nicht veroffentlich. Aber allein schon die siebenseitige Zusammenfassung des Berichts, den Rechtsanwaltin Marion Westpfahl im Munchner Ordinariat vorlegte, ist schockierend genug: Wenn es um Verbrechen wie sexuellen Missbrauch ging, herrschte im Erzbistum ein System der Vertuschung und Verharmlosung. Akten wurden vernichtet, homosexuelle Kleriker erpresst. Desinteresse an den Opfern Die Tater zeigten selten Schuldgefuhle, neigten aber zum Selbstmitleid. Mit am schlimmsten, so Westpfahl, empfand sie aber „die vollstandige Nichtwahrnehmung der Opfer“ durch das Ordinariat: „Es herrschte Desinteresse am Tatgeschehen und am Opferschicksal.“
Dass dieses auch strafrechtlich relevante Fehlverhalten jetzt offentlich wird, ist fur den Munchner Kardinal Reinhard Marx „ohne Alternative“. „Was wir tun, sind wir den Menschen schuldig, die zu Opfern wurden. Wir bitten als Kirche um Vergebung fur das, was Mitarbeiter der Kirche getan haben.“ Mit dem Munchner Missbrauchsbericht geht ein Krisenjahr fur die katholische Kirche spektakular zu Ende. Im Januar wurden die Ubergriffe am Berliner Canisius-Kolleg bekannt. Es folgte ein Dammbruch. Immer mehr Opfer aus anderen Einrichtungen meldeten sich, in Bayern unter anderem bei den Regensburger Domspatzen oder im Benediktinerkloster Ettal. Anzeige Der Augsburger Bischof Walter Mixa musste auch wegen Misshandlungsvorwurfen seinen Rucktritt anbieten. Munchens Erzbischof Marx profilierte sich dagegen fruh als Aufklarer. Das hat besondere Brisanz, weil Papst Benedikt XVI. als Kardinal Josef Ratzinger von 1977 bis 1982 dem Erzbistum Munchen und Freising vorstand. 159 Priester galten als "auffallig" Generell vermied es die Gutachterin, Details zu nennen, die Ruckschlusse auf Personen zulie?en, bei Kardinal Ratzinger machte sie eine Ausnahme. Von ihm fand sie einen Brief an einen delinquenten Priester. Ratzinger forderte ihn darin auf, seine Zwangsversetzung in ein anderes Bistum endlich zu akzeptieren. Laut Gutachten gab es 365 Falle von Missbrauch. 159 Priester sind „auffallig“ geworden, wobei damit nicht alle einschlagigen Ubergriffe erfasst seien. „Vielmehr ist davon auszugehen, dass die tatsachliche Zahl deutlich hoher liegt.“ Wegen Sexualdelikten verurteilt wurden 26 Priester, unter ihnen befindet sich kein lebender Diozesanpriester mehr. Andere Misshandlungen durch Priester sind in 36 Fallen nachgewiesen worden. Au?erdem wurden 15 Diakone und sechs Personen unter den Pastoralreferenten, Seelsorgehelfern und Jugendpflegern „auffallig“. Auch die Religionslehrer im Kirchendienst nahmen die Gutachter unter die Lupe. 96 Falle wurden ermittelt. Ein Lehrer wurde wegen eines Sexualdelikts verurteilt. Ein weiterer Fall sexuellen Missbrauchs sei erwiesen. Es gab keine Verurteilung wegen sonstiger korperlicher Misshandlungen, „obwohl solche nach Auffassung der Gutachter in 24 Fallen erwiesen sind“. Eine umfangreiche Aktenvernichtung hat stattgefunden Als Rechtsanwaltin Westpfahl im April vom Ordinariat beauftragt wurde, die Falle sexuellen Missbrauchs in der Zeit von 1949 bis 2009 im Erzbistum zu untersuchen, stand sie vor einer Mammutaufgabe. Sie interviewte nicht nur die Leiter des Priesterseminars, des Schulreferats und die Generalvikare. Sie musste auch 13.000 Akten aus 60 Jahren sichten. Dabei kam zutage, dass die Dokumente luckenhaft sind. In der Vergangenheit „fanden umfangreiche Aktenvernichtungsaktionen statt“. Deswegen konnten auch die Tater-Opfer-Relationen nicht rekonstruiert werden. Unfahigkeit vermutet die Gutachterin hinter diesen chaotischen Zustanden nicht, eher Absicht. „Schlamperei scheidet bei Aktenvernichtungsvorgangen aus. Das ist Ausdruck einer Grundhaltung“, so Westpfahl. Dazu gehorte auch ein fehlendes Unrechtsbewusstsein. Uber die Sexualdelikte wurde so verharmlosend berichtet, dass es oft nicht moglich war, die Taten zu erfassen. Die Kirche habe sich die Tabuisierung sexueller Themen zunutze gemacht. „Die Vertuschung war erfolgreich“, sagte Westpfahl. Fur den „rucksichtlosen Schutz des eigenen Standes“ schreckten die Kleriker auch vor ruden Methoden nicht zuruck. Die Gutachterin sprach von „besonderem Erpressungspotenzial“, dem homosexuelle Priester unterlagen: „Das wurde genutzt.“ Dieses System soll nun ein Ende haben. Das Bistum arbeitet an einem Praventionskonzept. „Ich kann nur davor warnen, nach diesen Erfahrungen einfach zur Tagesordnung uberzugehen“, sagte Kardinal Marx. Die Kirche musse ihre Glaubwurdigkeit zuruckgewinnen. |
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