BishopAccountability.org
Gegen Erzbischof Zollitsch Wird Ermittelt

Als Personalreferent in Freiburg soll der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von Missbrauchs-Vorwürfen gewusst, aber nicht gehandelt haben.

By Sexueller Missbrauch
The Welt
June 3, 2010

http://www.welt.de/politik/deutschland/article7885374/Gegen-Erzbischof-Zollitsch-wird-ermittelt.html

Seit Monaten kämpft er dafür, den Skandal um den tausendfachen sexuellen Missbrauch von Kindern durch Priester zu bewältigen. Nun wird gegen ihn selbst ermittelt wegen Beihilfe: Das Verfahren der Staatsanwaltschaft Konstanz gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, verschärft die Krise der katholischen Kirche – und könnte Auswirkungen auf die ganze Republik haben, die vor lauter Krisen nicht zur Ruhe kommt.

„Es gibt überhaupt keinen Anlass für einen Rücktritt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch", betont der Pressesprecher der Erzdiözese Freiburg, Robert Eberle. Zollitsch selbst ist noch bis zum Wochenende in Kur und will sich zunächst nicht persönlich äußern.

Der Verdacht: Zollitsch soll in seiner Zeit als Personalreferent des Erzbistums Freiburg 1987 einen Pater, der wegen sexuellen Kindesmissbrauchs in den 1960er Jahren vorbelastet war, in Birnau am Bodensee angestellt haben.

Der Fall ist allerdings kompliziert, denn zuständig für den Pater war formal wohl nicht das Erzbistum, sondern die Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau in Österreich.

Gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, wird wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch ermittelt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor...

Ein Missbrauchs-Opfer, das sich bereits 2006 an die Erzdiözese wandte, wirft der katholischen Kirche die Vertuschung seines Falls vor. Nach Auffassung des 53-Jährigen hätte die Erzdiözese schon 2006 alles daran setzen müssen, dass dem pädophilen Geistlichen, der mindestens zwei Taten im Kloster Birnau (Bodenseekreis) einräumte, der Umgang mit Kindern verboten wird.

Laut Eberle hatte das Erzbistum im Dezember 2006 erstmals von den Vorwürfen erfahren und die disziplinarisch zuständigen Zisterzienser aufgefordert, nach den Richtlinien der Bischofskonferenz den Fall aufzuarbeiten und den Priester nicht in der Seelsorge einzusetzen.

Die Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz von 2002 sehen in Verdachtsfällen eine Informationspflicht vor. In den vergangenen Monaten sind aber viele Fälle bekanntgeworden, in denen die Kirche pädophile Priester nur versetzt haben soll, statt sie zu suspendieren. Zollitsch selbst hält den gegen ihn erhobenen Vorwurf für substanzlos, weil der Zisterzienserorden für den Fall verantwortlich sei.

Ende Februar war Zollitsch noch mit einem beispiellosen Ultimatum gegen den Verdacht der Vertuschung vorgegangen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte kritisiert, die Kirche erwecke nicht den Eindruck, bei Verdachtsfällen konstruktiv mit der Justiz zusammenarbeiten zu wollen. Zollitsch forderte umgehend eine Entschuldigung innerhalb von 24 Stunden und beschwerte sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Ministerin.

Der Streit wurde später beigelegt und Zollitsch fand immer mehr seine Rolle als gemäßigter, aber entschiedener Aufklärer: Er entschuldigte sich mehrfach für den vielfachen sexuellen Missbrauch von Kindern durch Geistliche in früheren Jahrzehnten, trieb die Verschärfung der Richtlinien der Bischofskonferenz voran, stimmte sich bei der Krisenbewältigung eng mit Papst Benedikt XVI. ab und drängte den umstrittenen Augsburger Bischof Walter Mixa, gegen den wegen Missbrauchsvorwürfen ermittelt wurde, zum Rücktritt.

Nun könnte es für ihn selber eng werden. Doch selbst Kritiker der Kirche mahnen zur Vorsicht und warnen vor einer Vorverurteilung: Die Unschuldsvermutung dürfe nicht nur auf dem Papier stehen, sondern müsse auch im öffentlichen Diskurs gelebt werden.

Dies sei nicht zuletzt eine Lehre aus den spektakulären Rücktritten der vergangenen Wochen von Bischöfin Margot Käßmann, Bischof Mixa und zuletzt Bundespräsident Horst Köhler. Bisher sieht es nicht so aus, als drohe nun der nächste Rücktritt einer Führungsfigur der Bundesrepublik.


Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution.