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Vatikansprecher: "Der Papst Hat Nichts Vertuscht" Kurier May 4, 2010 http://kurier.at/nachrichten/1998563.php
Ein unscheinbarer, ganz in Schwarz gekleideter, eleganter Mann betritt das Gebaude der "Radio Vaticana" vis-a-vis der Engelsburg. In der Eingangshalle am Liveticker: die neusten Nachrichten von der "Stimme des Papstes" auf 105 Megahertz, gleich neben dem Riesen-Flatscreen hangt ein Kruzifix. Freundlich und leise begru?t der Jesuitenpater die Rezeptionisten. Keiner wurde vermuten, dass hier gerade einer der machtigsten Manner des Vatikans das Haus betreten hat: Federico Lombardi, eine Schlusselfigur im klerikalen Rom. Der 67-jahrige kontrolliert nicht nur das vatikanische Radio und Fernsehen, sondern auch die Pressearbeit des Heiligen Stuhls. "Gehen wir lieber nicht in mein Buro", meint er in perfektem Deutsch mit franzosischem Akzent, "ich habe nicht aufgeraumt." Er bittet die Gaste aus Wien in ein Besprechungszimmer mit einer Statue eines Guardiano di Finanza, an der Wand lachelt Benedikt XVI. von einem goldgerahmten Bild. Im Gesprach mit dem KURIER bleibt Federico Lombardi in jeder Sekunde souveran, bei heiklen Themen elastisch und immer wieder lachelt er. Eineinhalb Stunden beantwortet er, untermalt vom Heulen der Polizeiautos auf den Stra?en von Rom, unsere Fragen - ohne einen Moment des Zogerns. Am Ende des Interviews begleitet uns Pater Lombardi hinunter auf die Piazza Pia und wartet seelenruhig, bis das Taxi da ist. "Es ist gut, ein bisschen frische Luft zu schnappen", erklart er, denn seine Tage - sie beginnen um 7.30 Uhr mit der Heiligen Messe - seien lang. Vor 21 Uhr verlasst der Sprecher des Vatikans niemals sein Buro.
KURIER: Pater Lombardi, wann haben Sie den Heiligen Vater zuletzt gesehen? Federico Lombardi: Erst heute Vormittag, bei der Generalaudienz. Ich sehe ihn auch immer auf Reisen, bei Mittagessen, aber noch ofter im Fernsehen, auf den vielen Livebildern, die wir bei Centro Televisivo Vaticano von ihm bei Messen und Feiern aufnehmen (lacht). Die Linie der Communiques, der Interventionen besprechen wir taglich im vatikanischen Staatssekretariat, nicht mit ihm personlich. Sprechen Sie deutsch oder italienisch mit dem Papst? Das kommt ganz darauf an, wen er vorher getroffen hat. Wenn es Monsignore Georg Ganswein, sein Privatsekretar, war, dann spricht er deutsch und entschuldigt sich meist dafur. Ansonsten italienisch - Benedikt spricht ubrigens um Klassen besser italienisch als ich deutsch. Als Sprecher des Vatikans sind Sie ja quasi "seine Stimme". Es ist richtig, dass der Papst selbst praktisch nie Interviews gibt. In den funf Jahren waren es genau drei: Eines fur das polnische Fernsehen, da ging es um Johannes Paul II, ein anderes war fur Radio Vatikan auf deutsch vor dem Weltjugendtreffen in Koln, das dritte war fur einen Pool von Fernsehstationen vor seiner Reise nach Bayern. Aber er beantwortet auf Flugen manchmal Fragen von Journalisten, die sie vorher mir gegeben haben. Da streichen Sie dann einiges raus? Ich nehme jene Fragen, die fur alle interessant sind. Das ist aber keine Zensur. Ist das der Supergau fur den Sprecher des Vatikans, wenn ein Missbrauchsskandal die gesamte Kirche erschuttert? Och… Das ist naturlich eine Zeit, in der ich eine gro?ere Zahl an Anfragen habe und wo ich ofter Missinterpretationen korrigieren muss. Aber das ist fur meine Tatigkeit ganz normal. Es ist nicht das erste Mal… Hat die Kirche ein internationales Krisenmanagement? Man muss verstehen, wie die Kirche funktioniert. Sie ist kein multinationaler Konzern. Die Kirche ist mehr eine Gemeinschaft, die in verschiedenen Landern, auf lokaler Ebene, - in den Pfarren, Diozesen, bei den Bischofen - verwurzelt ist, dort liegen auch die Kompetenzen, die man respektieren muss. Aber die Medien funktionieren eben anders. Wenn irgendwo auf der Welt ein Kirchenskandal ausbricht, dann fallt das doch - wie auch bei andern weltweiten Konzernen - immer auf die Gesamtkirche zuruck. Was die Medien denken, ist nicht immer die ganze Realitat. In diesem Sinne: Es ist nicht meine Kompetenz, die Richtlinien der osterreichischen und deutschen Bischofe zu erklaren, da gibt es klare Zustandigkeiten, die zu respektieren sind. Der Papst hat sich vor allem in den letzten Monaten fur die Kirche in Irland engagiert. Seine Au?erungen gelten aber auch fur andere Lander. Diesen Brief habe ich der Presse kommuniziert und ich beantworte die Fragen von Journalisten, die bei uns in Rom akkreditiert sind, zu diesem Thema. Alles hat seine gewisse Ordnung und auch Klarheit. Viele hatten darauf gewartet, dass der Heilige Vater in seiner Osterbotschaft auf den Missbrauchsskandal in katholischen Einrichtungen mehrerer Lander eingehen wurde: Warum hat er es nicht getan? Der Papst hatte ja gerade einen langen Hirtenbrief uber die Problematik an die Katholiken von Irland geschrieben. Alle konnten genau lesen, was er dazu zu sagen hatte. Wenn er gedacht hatte, in der Osterwoche uber die fundamentalen christlichen Geheimnisse zu sprechen, dann war das seine freie Wahl und ich glaube, der Papst kann wahlen, woruber und wann er spricht. Oder schweigt? Aber das stimmt ja nicht. Niemand hat das, was geschehen ist, deutlicher verurteilt als der Heilige Vater. Und das nicht erst jetzt, sondern auch in der Vergangenheit. Benedikt XVI. hat Missbrauchsopfer in Washington und Sydney getroffen, Missbrauchsopfer aus Kanada hat er hier in Rom gesehen, sein Brief ist sehr deutlich. Auch in Malta war der Missbrauch Thema. Er kann aber nicht standig uber Missbrauch sprechen. Dafur hat der Dekan des Kardinalskollegiums, Angelo Sodano, im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwurfen von "Geschwatz des Augenblicks" gesprochen: Waren das die richtigen Worte? Diese Worte waren sicher nicht die klugsten. Was man aber nicht verstanden hat, war, dass sie eine Anspielung an eine Homilie des Papstes einige Tage davor waren, wo der Papst diese Worte in einem ganz anderen Kontext benutzt hatte. Die Intention des Kardinals war keineswegs, das Problem zu bagatellisieren. Aber wenn die Lage so angespannt ist, kommt es leicht zu Missinterpretationen, so wie es auch einige andere Male in diesen Wochen geschehen ist. Treffen die Vorwurfe den Papst? Der Heilige Vater wei? ganz genau, wie er vorgehen will. Er hat eine sehr klare Linie. Prioritat haben die Opfer und deren Schmerz. Die Kirche muss versuchen, einen Weg der Heilung zu gehen. Die Treffen mit den Missbrauchsopfer sind fur den Papst sehr bedeutsam. Er hat auch von Gerechtigkeit und Verantwortung der Tater gesprochen, und er hat klar gesagt, wie die Kirche damit umgeht. Mit Wahrhaftigkeit und Mut, und nicht durch Vertuschung. Das betrifft auch die Gemeinden, sie mussen eine Sphare der Sicherheit schaffen, wenn es um Erziehung geht. Emporend ist fur viele, dass Priester, die sich schuldig gemacht haben, in der Vergangenheit versetzt worden sind und dann wieder ruckfallig werden konnten. Die gro?e Mehrheit der Falle liegen viele Jahre zuruck, manche von ihnen sogar 30, 40 Jahre. Dass es falsch war, dieses Problem losen zu wollen, indem man Priester versetzt hat, sieht inzwischen jeder. Das war ein Fehler in der Verantwortung. Aber es ist sehr klar, dass das Prozedere heute ein anderes ist: Wenn ein berechtigter Verdacht besteht, dann muss man Ma?nahmen treffen, damit diese Person keine Gefahr fur andere mehr sein kann. Ich spreche von vorsorglichen Ma?nahmen. Und dann muss man den richtigen Prozess bis zum Ende fuhren und die notwendigen Entscheidungen treffen. Wurden Sie sagen, dass das, was geschehen ist, heute nicht mehr vorkommen kann? Es ist klar, dass niemand mochte, dass das wieder geschehen kann und dass alle notigen Ma?nahmen getroffen werden mussen. Das steht ja auch seit Jahren in den Richtlinien der Bischofskonferenzen. Selbstverstandlich muss man mit gro?er Ernsthaftigkeit und Klarheit vorgehen. Der schwere Vorwurf, der Papst sei als Erzbischof von Munchen selbst in die Vertuschung von Missbrauchsfallen involviert gewesen, macht Ihnen der Sorgen? Hier hat die Diozese Munchen sehr deutlich Stellung genommen. Dieser Priester war nicht von Erzbischof Ratzinger selbst, sondern vom Generalvikar wieder eingesetzt worden. Ein anderer Vorwurf lautet, dass in einigen Fallen, die vor die Glaubenskongregation gebracht wurden, die Prozedur moglicherweise nicht korrekt war. Da haben die New York Times Dokumente veroffentlicht, aber auch hier gab es von uns eine klare Antwort: Die Leute, die die Kongregation kennen, die sind alle uberzeugt, dass Kardinal Ratzinger immer die Linie der Klarheit und der korrekten Haltung verfolgt hat. Er stand immer fur Transparenz, er hat nichts vertuscht. Und fur eine strenge und ernste Fuhrung bis zum Ende der kanonischen Prozesse gegen die Schuldigen. Wer Zweifel an dieser Haltung hatte, der konnte jedenfalls kein Beweise vorbringen, die das unterstreichen. Kathpress hat gemeldet,, dass Papst Benedikt XVI. und der Vatikan offenbar mit einem "Mea culpa" um Verzeihung fur die Missbrauchsskandale bitten wolle. Konnen Sie das bestatigen? Ich habe keine Informationen daruber, dass ein "mea culpa" vorbereitet werden soll. Aber selbstverstandlich steht es dem Papst vollig frei, am Ende dieses "Jahres der Priester" zu sprechen oder zu schreiben, wie er glaubt. Ich glaube, dass man jetzt vielleicht zu viel auf diesen Punkt konzentriert ist, auch wenn es sicher ein sehr schwerwiegender und wichtiger Punkt ist. Ich fur meinen Teil hoffe, dass der Papst auch fur mich und fur die Mehrheit der Priester, die keinen sexuellen Missbrauch begangen haben und die treu und gro?mutig fur den Herrn, die Kirche und alle Mitmenschen lange Jahre gearbeitet haben, ein schones, gutes und ermutigendes Wort haben wird. Der ganze Skandal ist ja auch finanziell eine Katastrophe: Einerseits mussen Gelder fur Opfer aufgebracht werden, andererseits treten Menschen massenweise aus der Kirche aus. Auch das betrifft nicht unmittelbar den Vatikan oder den Papst, sondern mehr die lokalen Kirchen. Das Problem der Kirchenaustritte gibt es ja auch nicht in allen Landern, die Kirche ist ja auch nicht zentralisiert. Also ist es keine internationale Sache. Das ist die Realitat von Gemeinden und ihren unterschiedlichen, spezifischen Problematiken. Eine solche globale oder universelle Kalkulation gibt es daher auf Weltebene nicht. Wesentlich ist die Glaubwurdigkeit und die moralische Autoritat der Kirche und das Vertrauen der Glaubigen. Ist diese Glaubwurdigkeit beschadigt? Es ist ganz klar, dass die Missbrauchsfalle nicht positiv fur die Kirche sind. Darum ist es wichtig, dass die Kirche die Haltung der positiven Weise, der Konfrontation mit den Problemen, weiter verfolgt, dass sie aus den Fehlern lernt und Falle von Missbrauch mit gro?er Korrektheit aufarbeitet und so mit der Vergangenheit abschlie?t. Diesen Weg nach vorne haben viele Lander bereits eingeschlagen. Ist Osterreich ein Vorbild? Kardinal Schonborn geht sehr offen mit der Problematik um. Ja, das ist richtig. Aber auch die deutschen und amerikanischen Bischofe gehen gut mit der Sache um. Etwa mit den Runden Tischen, in Osterreich und in Deutschland, wo alle Kreise der Gesellschaft gemeinsam mit der Kirche am Problem arbeiten. Die Zahl der Falle ist, und das mochte ich festhalten, aber verschwindend klein, gemessen an der Weltkirche. Ich habe den Eindruck, dass manchmal die Relation verloren gehen. Tragt der Zolibat Mitschuld an dem, was jetzt ans Licht kommt? Ich glaube das nicht. Es gibt eine Reihe von kompetenten Leuten, die hier keinen direkten Zusammenhang sehen. Wir wissen alle, dass die gro?e Mehrheit der Padophilen verheiratet sind, dass also auch viele Missbrauchsfalle in den Familien passieren. Aber ich bin nicht der Spezialist fur Padophilie. Am Zolibat wird die Kirche also festhalten? Der Zolibat fur katholische Priester der westlichen Kirche ist kein Dogma, sondern eine kirchliche Regelung alter und wertvoller Tradition, die von historischen, spirituellen und theologischen Gesichtspunkten studiert und diskutiert werden kann, aber nicht aus diesem Grund! Ist er denn noch zeitgema?? Fur mich ja .Ich komme schon mein ganzes Leben lang gut damit klar (lacht). Sie sind eine Schlusselfigur im Vatikan: Sprecher des Papstes, Chef von Radio Vatikan und des Centro Televisivo Vaticano, und Sie leiten das Pressezentrum. Wie bringen Sie so viele Jobs unter einen Hut? Ich hab sie ja nacheinander bekommen, nicht alle auf einmal. Und ich habe hervorragende Mitarbeiter! Wir sind ein sehr lebendiges Team. Der Vorteil meiner Amter ist, eine bessere Koordination zwischen der verschiedenen Stellen zu fordern. Der Ton vom Papst hat Radio Vatikan, die Bilder hat Televisivo Vaticano, wir senden in 40 verschiedenen Sprachen, dieser Spachreichtum nutzt Journalisten auf der ganzen Welt. Pater Lombardi, haben Sie eigentlich das Vatikan-Enthullungsbuch von Gianluigi Nuzzi gelesen? Nein… Da steht doch nicht viel Neues drin, das sehr bedeutend fur uns heute ware. Das hat mehr mit der Vergangenheit zu tun. Und es handelt sich besonders um den IOR. IOR (Istituto per le Opere di Religione) ist in einem gewissem Sinne eine Bank, die zwar im Vatikan ist, aber sie ist keine Institution des Heiligen Stuhls fur die Regierung der Kirche in der Welt, oder auch der Vatikanstadt, darum habe ich normalerweise mit dem IOR nichts zu tun. Ich habe gerade in den letzten Tagen ein Mail von Nuzzi bekommen. Er wollte mit mir sprechen. Mag sein, dass ich ihn in nachster Zeiten einmal kennenlernen werde. Pater Lombardi, kummert den Vatikan eigentlich ein Fall Wagner, wie er in Osterreich fur Aufsehen gesorgt hat? Oder ein prugelnder Bischof namens Elmar Fischer? Fischer soll angeblich den Heiligen Vater in Rom getroffen haben, was die Geruchtekuche rund um seinen moglichen Rucktritt angeheizt hat. Fur mich ist die Regel fur Personalfragen ganz klar. Ich habe nur die offiziellen Entscheidungen zu veroffentlichen, etwa wenn der Papst einen Rucktritt angenommen hat. Sonst versuche ich, Geruchte nicht anzuheizen. Was sind in Zukunft die gro?ten Herausforderungen der Weltkirche? Ich nenne hier die Prioritaten des Papstes: Im Vordergrund steht die Beziehung des Menschen zu Gott, die Frage, wie wir die Bedeutung der Religion und des christlichen Glaubens den Menschen unserer Zeit, auch den jungen Menschen, nahe bringen. Den gro?en Fragen unserer Zeit konnen wir Christen nur im Lichte und mit Hilfe des Glaubens eine letzte Antwort anbieten: Die Okumene, der Dialog, die Frage, wohin wir gehen, die Gefahren fur die Menschheit, Gerechtigkeit, Frieden, Umwelt. Auf diese Fragen muss die Kirche Antworten geben, hier tragt sie eine gro?e Verantwortung. Wenn sie hier Losungen anbietet, dann hat sie ihre Mission erfullt. Jesuit als Multitasker Wurzeln Geboren am 29. August 1942 in Saluzzo, Italien, als Neffe des legendaren Riccardo Lombardi ("Bewegung fur eine bessere Welt"). 1960 tritt Federico Lombardi dem Jesuitenorden bei und studiert Philosophie in Gallarate, Mathematik in Turin und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main - deshalb spricht der geburtige Italiener perfekt Deutsch. 1972 empfangt er das Sakrament der Priesterweihe. Karriere Pater Federico Lombardi SJ arbeitet zunachst bei der Jesuitenzeitschrift La Civilta Cattolica und wird stellvertretender Chefredakteur. Von 1984 bis 1990 ubt er das Amt des Provinzials der italienischen Jesuitenprovinz aus. 1991 geht er als Programmdirektor bei Radio Vatikan nach Rom. 2001 wird er Direktor des vatikanischen Fernsehzentrums Centro Televisivo Vaticano, 2005 Generaldirektor von Radio Vatikan. Kronung Nach dem Rucktritt von Joaquin Navarro-Valls wird "Multitasker" Lombardi am 11. Juli 2006 von Papst Benedikt XVI. auch noch zum neuen Pressesprecher des Vatikans ernannt. |
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