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  Missbrauch, Macht Und Mitren

Der Standard
March 19, 2010

http://derstandard.at/1268700960202/Kommentar-der-anderen-Missbrauch-Macht-und-Mitren

Papst Benedikt kundigt fur seinen morgigen Hirtenbrief "Bu?e, Heilung und Erneuerung" an. Kircheninterne Kritiker wie Bischof Robinson, die seit Jahren konsequente Strukturreformen und eine Abkehr von der "Symbolik der Macht" fordern, horen die Botschaft wohl ...

Ein australischer Bischof fordert seine Mitbruder auf, auf ihre Herrschaft symbolisierenden Kopfbedeckungen zu verzichten - Von Kurt Remele

Was das mit dem Missbrauchsskandal zu tun hat? - Der Papst musste es eigentlich wissen.

Australien spielt in unserer Medienberichterstattung hochstens dann eine Rolle, wenn eine Feuersbrunst droht, Sydney in Schutt und Asche zu legen. Im Kontext der gegenwartigen Debatte uber sexuelle Gewalt in der romisch-katholischen Kirche erscheint ein Blick auf "down under" dennoch angebracht.

Ahnlich wie in den Vereinigten Staten wurde das Thema der sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in Australien schon vor vielen Jahren innerkirchlich und offentlich breit diskutiert, mit manch bemerkenswertem Ergebnis:

Geoffrey Robinson etwa, ein inzwischen emeritierter Weihbischof von Sydney, stellt in seinen Uberlegungen zur Bewaltigung des Missbrauchsskandals nicht nur das Pflichtzolibat in Frage, sondern kritisiert auch das kirchliche Sunden- und Vergebungsverstandnis, pladiert fur eine starkere Partizipa-tion aller Glaubigen an kirchlichen Entscheidungen und fordert eine institutionell verankerte Rechenschaftspflicht von Papst, Bischofen und Priestern gegenuber dem gesamten Volk Gottes.

Ein zentrales Prinzip katholischer Sozialethik ist die "vorrangige Option fur die Armen". Es besagt, dass sich die Kirche zwar um das Wohl und das Heil aller Menschen sorgen soll, in erster Linie aber fur die Benachteiligten und die Opfer einzutreten hat, fur die Unterdruckten und die Missbrauchten. Dass diese "Option fur Arme" von zahlreichen Bischofen zu einer "Option fur Padophile" pervertiert wurde, wird heute auch von kirchenamtlicher Seite offen zugegeben und bedauert.

Die Perspektive der Opfer ist es, die auch fur Bischof Geoffrey Robinson im Vordergrund steht. In seinem 2007 erschienenen Buch Confronting Power and Sex in the Catholic Church analysiert Robinson, der viele Jahre lang die Missbrauchs-Kommission der australischen Bischofskonferenz leitete, die Grunde fur den Skandal und fordert adaquate kirchliche Ma?nahmen, um zukunftigen Missbrauch zu verhindern. Wer das tut, muss nach Robinson den Mut aufbringen, bestimmte Lehren, Gesetze und Verhaltensweisen der Kirche zu hinterfragen.

Bischof Robinson weist auf den engen Zusammenhang von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch hin: "Jeder sexuelle Missbrauch ist an erster Stelle ein Missbrauch von Macht." Sexuell gewalttatige katholische Priester missbrauchten ihre Macht als anerkannte spirituelle Autoritaten, denen junge Menschen oft ruckhaltlos vertrauten. Um Vertuschung bemuhte katholische Bischofe missbrauchten ihre Macht, indem sie solche Priester wie Schachfiguren von einer Pfarre in eine andere verschoben.

Wie beurteilt Robinson die Zolibatsverpflichtung? Der Weihbischof glaubt nicht, dass das Zolibat katholischer Geistlicher die einzige Ursache fur sexuellen Missbrauch sei, widerspricht aber auch jenen, die behaupten, er habe damit gar nichts zu tun. Papstliche Erklarungen, dass das Zolibatsgesetz auf keinen Fall uberpruft, in Frage gestellt oder geandert werden konne, begegnet er mit der pointierten Frage: "Wie viele missbrauchte Kinder ist uns der Zolibat wert?"

Robinson erwahnt, dass einige klerikale Kinderschander allen Ernstes behaupteten, die Zolibatsverpflichtung nicht gebrochen zu haben, weil sich diese nur auf sexuelle Kontakte mit erwachsenen Frauen beziehe. Und er weist darauf hin, dass die traditionelle katholische Beicht- und Vergebungspraxis einen adaquaten Umgang mit sexuellem Missbrauch haufig verhindert habe: Sexuelle Gewalt wurde als Sunde und Beleidigung Gottes interpretiert, die immer wieder vergeben werden kann, nicht als Verbrechen an unschuldigen Kindern, das man verhindern muss.

Vor kurzem berichtete mir eine Kollegin, wie abgottisch ihre Gro?mutter den singenden ost-steirischen Dorfpfarrer Franz Brei verehre. Omas Devotheit gegenuber dieser, seine volkstumliche Schlagermusik stets im Priester-talar vortragenden, uppigen Priestergestalt gehe so weit, dass sie sich die neue CD dieses "Gottesmannes" gekauft habe, obwohl sie gar kein CD-Gerat besitzt.

Nach Bischof Robinson ist die unkritische Uberhohung von Priestern und Bischofen mitschuldig am gegenwartigen Missbrauchsskandal. Robinson empfiehlt seinen Bischofskollegen deshalb, sich in ihrer Korper- und Symbolsprache von Insignien der Macht und Erhabenheit zu verabschieden: zunachst von ihren Mitren, dann aber auch von Hirten-staben, Brustkreuzen und kostbaren Ringen. Robinsons Forderung kann als Konkretisierung dessen verstanden werden, was sich in theologisch-professoraler Sprache so anhort: "Als radikale Grenzaufhebung stellt das Christentum allen au?eren Unterschiede, auch die faktischen Unterscheidungsformen innerhalb der Kirche selbst, immer wieder in die Krise." (Joseph Ratzinger: Die christliche Bruderlichkeit. Munchen 1960, S. 87)

 
 

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