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  Vatikan Hob Urteil Auf

Frankfurter Rundschau
March 18, 2010

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/2439103_Vatikan-hob-Urteil-auf.html

Die Rolle des Vatikan beim Vertuschen von Missbrauchsfallen wird gerade heftig debattiert - nun fuhrt der Fall eines osterreichischen Priesters, der zahlreiche Jungen missbraucht haben soll, direkt nach Rom: Obwohl ein Kirchengericht den Pfarrer aus der Steiermark fur schuldig befand, wurgte der Vatikan den Prozess einfach ab.

Laut einer staatlichen Strafanzeige aus dem Jahr 2002 war der Pfarrer verdachtig, in den 80er Jahren mindestens 13 Jungen "zwischen funf und 18 Jahren () wiederholt sexuell und schwer sexuell missbraucht zu haben". Das Verfahren wurde eingestellt, "rein aus Grunden der Verjahrung", so der Staatsanwalt.

Die Kirche selbst hatte den Geistlichen nach den ersten Vorwurfen erst beurlaubt und ihm dann wieder neue Pfarren uberantwortet. 2001 ubernahm ein neuer Bischof, Egon Kapellari, die Diozese Graz-Seckau. Er stellte den Priester vom Dienst frei und schickte ihn in ein Kloster. Mehr noch: Dieser musste sich ab 2003 einem Prozess vor dem Erzbischoflichen Metropolitan- und Diozesangericht Salzburg stellen.

Pfarrer verschickte Rundbrief

Das Verfahren verlief jedoch alles andere als transparent. Die Opfer "glauben", der Pfarrer sei schuldig gesprochen worden, was auch die Ombudsstelle der Diozese bestatigt. Die Folgen einer Verurteilung konnen bis zur Entlassung gehen, so der Innsbrucker Kirchenrechtler Wilhelm Rees.

"Direkt mitgeteilt hat uns das Urteil aber nie jemand", sagen die Opfer. Stattdessen lasen sie 2006 in einem Rundbrief des Pfarrers: "Nach Eintreffen der Berufung meines Pflichtverteidigers bei der hochsten Instanz in Rom wurde das vom Diozesangericht in Salzburg durch Rechtsbeugung und Unterschlagung wichtiger Dokumente angepeilte Urteil sofort aufgehoben."

Kurz darauf trudelten bei Opfern Briefe der Diozese ein, wonach nun der Vatikan selbst im Spiel sei, genauer die Glaubenskongregation -also jene Behorde, der Joseph Ratzinger fast ein Vierteljahrhundert lang vorstand, ehe er zum Papst aufstieg. "Die Glaubenskongregation hat mitgeteilt, dass die angeklagten Tatbestande verjahrt sind", hie? es lapidar.

"Ungereimtheiten" sieht Kirchenrechtler Rees bei dem Fall, uber den zuerst die osterreichische Wochenzeitung Falter berichtete. Normalerweise laufe es so ab: Hat ein Bischof konkrete Anhaltspunkte fur Missbrauch, muss er das der Glaubenskongregation melden. Diese entscheidet, ob es einen Prozess geben soll. Ist die Sache verjahrt, beauftragt sie erst gar keinen. "Die Kirche arbeitet ja nicht ins Blaue hinein."

Rolle Ratzingers unklar

Gerhard Holotik, der als Chef des Salzburger Diozesangerichts das Verfahren leitete, gibt sich zuruckhaltend: "Wir stehen unter papstlicher Verschwiegenheit." Ob er zu einem Schuldspruch gelangt sei? Aus allem, was man gehort habe, konne man sich ja einen Reim machen, sagt er. Details uber das Urteil darf er nicht nennen, bestatigt aber: "Das Urteil habe ich nach Rom geschickt, die Glaubenskongregation hat es wieder aufgehoben. Es gab ein Hin und Her." Dann erklarte Rom die Sache fur verjahrt. Dabei, betont Holotik, habe er sich vorher "abgesichert. Wir haben die Sache ja von Rom zugewiesen bekommen. Sie konnen sich denken, wie wir empfinden, wenn unser Urteil plotzlich aufgehoben wird".

Offenbar wollte Rom einen Schuldspruch schlicht nicht, denn: Bei schwerwiegenden Vergehen wie Missbrauch ist nach dem Kirchenrecht eine Aufhebung der Verjahrung moglich. In einem fruheren Rechtssystem hatte die Kirche fur diese Falle sogar uberhaupt keine Verjahrungsfristen vorgesehen.

Inwieweit der heutige Papst in die Aufhebung des Urteils involviert war, ist so geheimnisvoll wie der gesamte Prozess. Als die Glaubenskongregation das Verfahren bestellte, war er noch deren Chef. Als Rom es abwurgte, war er Papst. Fakt ist, dass Benedikt XVI., noch als Prafekt der Glaubenskongregation, das Papier "De delictis gravioribus" unterzeichnete, das befiehlt, sexuelle Ubergriffe strengstens geheim zu halten.

 
 

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