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  Katholische Kirche: Vertuschung Von Missbrauch Kann Strafbar Sein

Die Presse
March 18, 2010

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Experte: Anklage wegen Beihilfe durch Unterlassung moglich. Drei Patres in Kremsmunster suspendiert.

Wien/Kremsmunster (awe/red./APA). Derkircheninterne Umgang mit Mitarbeitern, die des (sexuellen) Missbrauchs von Zoglingen beschuldigt werden, ist nicht nur moralisch fragwurdig. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Vertuschung derartiger Vorfalle, also die Nichtanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft, auch strafbar sein, sagt der Wiener Strafrechtler Helmut Fuchs.

Mit dem Gesetz in Konflikt geraten die betroffenen Personen dann, wenn sie durch ihre Untatigkeit in Kauf nehmen, dass es zu weiteren Missbrauchsfallen kommt. Fuchs: „Das ware der Fall, wenn ein Internatsleiter oder Kirchenoberer von einem Missbrauchsfall durch einen Ordensmann erfahrt und nicht alle Mittel ausschopft, weitere Ubergriffe zu verhindern.“ Etwa, wenn der Verdachtige ohne Konsequenzen weiter Dienst tut, nach einer Versetzung die gleiche Tatigkeit – z. B. als Erzieher – ausubt und in dieser Funktion weitere Missbrauche begeht. Im schlimmsten Fall drohen dann Anklagen wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch durch Unterlassung. Je nach Schwere des Ubergriffs ist die Vertuschung mit mehrjahrigen Haftstrafen bedroht.

Fuchs glaubt jedoch, dass bei den bisher offentlich gewordenen Priesterversetzungen niemandem ein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sei. Denn: Eine Anzeigepflicht fur Missbrauchsfalle besteht laut Gesetz nur dann, wenn alle anderen Mittel zur Verhinderung weiterer Taten nicht ausgeschopft wurden.

Die nun Beschuldigten mussten auf Anordnung ihrer Vorgesetzten jedoch an Therapiestunden teilnehmen oder wurden an andere Dienstorte versetzt. Manchen verbot man sogar den direkten Kontakt zu Kindern. Fuchs: „Das Gesetz zielt hier darauf ab, kunftige Zwischenfalle zu verhindern. Vordergrundiger Zweck ist nicht die Strafverfolgung des Taters.“

Kremsmunster forscht nach

Das konnte sich in absehbarer Zeit jedoch andern. Die SPO fordert inzwischen nicht nur eine Erhohung der Verjahrungsfristen bei sexuellem Missbrauch, sondern auch eine Verdoppelung des Strafrahmens und eine gesetzlich verankerte Anzeigepflicht. Eine solche gilt derzeit namlich nur fur Beamte des Bundes. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zeigte sich diesbezuglich in der „Kleinen Zeitung“ diskussionsbereit.

Erste Konsequenzen zog die katholische Kirche inzwischen im Fall jener drei Patres aus Kremsmunster, denen der Missbrauch von Schulern des Stiftsgymnasiums vorgeworfen wird. Sie wurden ihrer Amter enthoben.

Zuvor hatten ehemalige Schuler des Internats von Annaherungsversuchen und korperlicher Zuchtigung berichtet. Einer der Beschuldigten wies die Vorwurfe zunachst zuruck, soll laut Abt Ambros Ebhart aber inzwischen bedauert haben, dass seine Taten als Missbrauch erlebt worden seien.

Der Trager des Gymnasiums mit angeschlossenem Internat, der Benediktinerorden, will alle Vorwurfe von einer weisungsfreien Kommission prufen lassen. Bisher sollen sich diesbezuglich neun Opfer gemeldet haben. Kommissionsvorsitzender Josef Gruber versicherte, dass man allfallige Straftaten, die noch nicht verjahrt sind, bei den zustandigen Behorden anzeigen werde.

Unterdessen sorgen sich Osterreichs Frauen- und Mannerorden um ihren beschadigten Ruf. In einer gemeinsamen Erklarung baten sie Opfer und Offentlichkeit um Vergebung. Sie schlossen sich den Planen der Bischofskonferenz an, wonach der Umgang mit Missbrauch in der katholischen Kirche optimiert werden musse.

Verbesserungen kundigten die Ordensvertreter auch im Umgang mit den Tatern und bei der Auswahl von Anwartern an. An einem eigenen Arbeitstag Anfang April werde man mithilfe von Therapeuten, Juristen und Ombudsleuten die Verantwortlichen von geistlichen Gemeinschaften auf ihre Verantwortung hinweisen.

Im Zeichen der Missbrauchsvorwurfe stand am Donnerstag auch die Eroffnung der zweiten Wiener Diozesanversammlung. Kardinal Christoph Schonborn forderte in seiner Rede im Stephansdom eine „echte Umkehr“. Die Glaubwurdigkeit konne dann zuruckgewonnen werden, wenn die katholische Kirche gemeinsam durch einen Prozess der Lauterung gehe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2010)

 
 

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