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  Pater Gesteht Kindes-missbrauch

Frankfurter Rundschau
February 3, 2010

http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/frankfurt/2267853_Jesuiten-Skandal-Pater-gesteht-unter-Traenen-Kindes-Missbrauch.html

Das Canisius-Kolleg in Berlin. (Bild: ddp)

Noch am Abend zuvor hat Bernhard E. fur die Kommunitat, fur seine zwolf Mit-Padres, einen Gottesdienst gehalten. Am Tag danach sind im Ignatiushaus der Jesuiten im Frankfurter Westend Schock und Betroffenheit spurbar. Der 70-jahrige Pater E. hat sich "schuldig bekannt", so sagt es Werner Loser, der Superior der 55 Jesuiten in Frankfurt. Sein enger Freund E. hat gestanden, in den fruhen 70er Jahren in Hannover drei ihm anvertraute Kinder sexuell missbraucht zu haben.

Loser ringt um Worte: "Es ist ein Hammer, es ist schlimm". Bernhard E. ist kein einfacher Jesuit. Er ist ein weltweit bekannter Reprasentant des Ordens: 1983 hatte er in Frankfurt die Organisation "Arzte fur die Dritte Welt" gegrundet, die seitdem 2330 Mediziner nach Indien, Kenia, Bangladesh, Nicaragua, auf die Philippinen geschickt hat. Die Schauspielerin Maria Furtwangler ist Prasidentin des Kuratoriums. Bis 2006 hatte E. an der Spitze der Institution gestanden und war dann als Geschaftsfuhrer zuruckgetreten.

Nicht freiwillig, wie nun klar ist: Damals hatte sich kirchenintern eines der Opfer von Hannover zu Wort gemeldet. Er habe "bis gestern nichts davon gewusst", beteuert Harald Kischlat, heute Generalsekretar von "Arzte fur die Dritte Welt", in seinem Buro auf dem Gelande der Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt am Main. Erst seit Mittwoch wisse er, dass sein Vorganger 2006 "die Leitung abgeben musste". Der oberste deutsche Jesuit, Provinzial Stefan Dartmann, habe den Vorstand informiert. Es gebe zudem "Anlass zu der Befurchtung, dass es auch an anderen Orten solche Ubergriffe gegeben hat", so Dartmann.

Innerhalb des Jesuiten-Ordens, raumt Kischlat ein, seien "Hinweise" auf die Vergehen des Paters "seit 2005 bekannt". Damals sei ein ordensinternes Verfahren gegen E. eingeleitet worden. Hat sich der Geschaftsfuhrer selbst nie gefragt, warum sein Vorganger zurucktreten musste? Kischlats Erklarung: Ihm sei beim Eintritt in die Organisation 2002 versprochen worden, dass er einmal an der Spitze stehen werde. "Deshalb gab es fur mich keinen Anlass, das zu hinterfragen."

Der Jesuiten-Orden schirmt sein prominentes Mitglied E. in Frankfurt am Mittwoch ab. "Er hat Tranen in den Augen, es beschamt ihn tief", berichtet Superior Loser. Fur ihn bleibt E. aber "ein absolut respektabler Mann". Er musse auch weiter dem Orden angehoren durfen: "Er ist einer von uns - wir stehen zu ihm!" E. darf ab sofort keine Gottesdienste mehr zelebrieren, "das trifft ihn tief". Aber, so versichert der oberste Frankfurter Jesuit: "Wir exkommunizieren ihn nicht."

Und dann grubelt der 69-jahrige Superior, wie es zu den Taten seines Freundes E. kommen konnte. Die Jesuiten seinerzeit beschreibt der Pater, der seit bald 50 Jahren im Orden ist, als "derart verklemmt und verdreht". Zugleich seien Priester "durch die 68er-Generation verunsichert" worden. Jetzt brauche es "einen inneren Prozess von Lauterung und Heilung". Fur den Superior sind die Tater Einzeltater. Nach fast funf Jahrzehnten im Orden konne er grundsatzlich sagen: "Bei uns gab es nichts desgleichen." Er selbst, versichert Loser, habe sich "nicht einmal in der Nahe solcher Vorgange befunden".

Die von E. gegrundeten "Arzte ohne Grenzen" nennen das lange Schweigen "zusatzlich zur eigentlichen Tat einen weiteren Akt des Missbrauchs". Und Maria Furtwangler erklart am Mittwochnachmittag: "Bei aller Verantwortung fur den Fortgang unserer Arbeit steht das Mitgefuhl mit den Opfern im Mittelpunkt".

 
 

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