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Skandal Um Sexuellen Missbrauch an Jesuiten-Kolleg Weitet Sich Aus Von Gernot Facius und Lucas Wiegelmann Welt February 2, 2010 http://www.welt.de/die-welt/politik/article6214578/Skandal-um-sexuellen-Missbrauch-an-Jesuiten-Kolleg-weitet-sich-aus.html GERMANY -- Nach Vorfällen in Berlin melden sich nun auch in Hamburg, Hildesheim und Göttingen frühere Opfer - Längere Verjährungsfristen gefordert - Fall belebt Debatte über Zölibat neu Berlin - Der Skandal um Kindesmissbrauch bei den Jesuiten weitet sich aus und belebt die Debatte über den Zölibat neu. Gestern meldeten sich drei ehemalige Schüler der Hamburger Sankt-Ansgar-Schule und gaben an, vom Jesuitenpater Wolfgang S. (65) sexuell missbraucht worden zu sein. Sie sagten auch, dass es noch weitere Opfer gebe. S., der derzeit in Chile lebt, war von 1979 bis 1982 Sportlehrer in Hamburg, davor hatte er am Canisius-Kolleg in Berlin Religion und Deutsch unterrichtet. Auch an einer anderen früheren Station des Priesters, dem Jesuiten-Kolleg St. Blasien im Südschwarzwald, haben sich inzwischen missbrauchte Schüler gemeldet. Der Provinzobere der Jesuiten in Deutschland, Stefan Dartmann, sagte gestern, es gebe außerdem Verdachtsfälle in Göttingen und Hildesheim sowie in Spanien und Chile. Insgesamt seien ihm bisher 25 Opfer bekannt. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass mindestens zwei Berliner Jesuitenpatres in den 70er- und 80er-Jahren Dutzende Jugendliche sexuell missbraucht hatten. Rektor Pater Klaus Mertes war damit an die öffentlichkeit gegangen, nachdem ihm mehrere ehemalige Schüler von den übergriffen berichtet hatten. Allerdings waren Mertes und auch die deutsche Leitung der Jesuiten bereits seit Jahren über Missbrauchsfälle informiert gewesen. Pater Wolfgang S. hat die Berliner Taten zugegeben, zu seiner Zeit in Hamburg und St. Blasien schweigt er. Der andere Pater, Peter R., bestreitet die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft noch, ob die Fälle verjährt sind; sexueller Missbrauch kann je nach Schwere höchstens 20 Jahre nach der Tat bestraft werden. Die Deutsche Kinderhilfe forderte gestern, die Verjährungsfrist zu verlängern. "Das Fatale an der Verjährungsfrist zeigt sich hier in seiner ganzen Tragik", sagte der Vorsitzende Georg Ehrmann der WELT. "Gerade weil es so typisch für Sexualstraftaten an Kindern ist, dass die Opfer oft erst nach Jahrzehnten darüber sprechen können, dürfen solche Straftaten wie andere Delikte erst nach 30 Jahren verjähren", sagte Ehrmann. Die Jesuiten haben nach Bekanntwerden des Sex-Skandals eine Schlichterin eingesetzt, die mit Opfern und mutmaßlichen Tätern spricht. Sie sagt, dass frühere Schüler noch weitere Namen als diese beiden Patres genannt hätten. Die mutmaßliche Missbrauchsserie in Berlin ist der vorläufige Höhepunkt einschlägiger Sex-Skandale in der katholischen Kirche: Jahr für Jahr werden aus Pfarreien, Seminaren und Schulen ähnliche Vorkommnisse gemeldet. Nun rückt wieder die Frage in den Fokus: Ist der Zölibat an allem schuld? Der Augsburger Autor und Theologieprofessor Hanspeter Heinz sagt, das Problem sei die sexuelle Unreife, die bei Priestern und Seminaristen besonders häufig sei. "Wer eine Freundin hat, muss mit ihr partnerschaftlich zurechtkommen und reift dabei leichter", sagte Heinz der WELT. Im Klartext: Das Problem bei sexuellen Verfehlungen ist nicht unbedingt der Zölibat, sondern die sexuelle Unreife. Allerdings schafft der Zölibat in Verbindung mit einer hierarchischen Struktur Risikozonen. Von den rund 18 000 katholischen Geistlichen, so schätzte 2005 der Essener Weihbischof Franz Grave, hätten zwei Prozent pädophile Neigungen. Wegschauen oder Wegversetzen, das war viele Jahre lang eine Methode in den Diözesen. Zerknirscht gestand 2002 der Hildesheimer Domkapitular Werner Holst Fehler ein: "Auch ich dachte, wenn man die Täter in ein Kloster bringt, wo sie Buße tun, sei das genug. Das war falsch." Heute hat die Kirche in Deutschland genaue Richtlinien: Es soll nichts mehr vertuscht werden, die Staatsanwaltschaft soll eingeschaltet werden, und den Opfern wird Hilfe zugesagt. Doch noch immer wirken im Gedächtnis der Menschen alte kirchliche Sünden nach. Im Fall Irland erinnerte man sich: 1962 verschickte der damalige Chef der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Alfredo Ottaviani, einen bis heute umstrittenen Brief an die Bischofskonferenzen. Missbrauchsfälle sollten geheim gehalten und lediglich dem zuständigen Bischof gemeldet werden. Auf die Opfer wurde eingewirkt, Stillschweigen zu bewahren - unter Androhung der Exkommunikation. 2002 hat Kardinal Joseph Ratzinger erklärt, das Dokument sei noch gültig. Der Vorwurf der Vertuschung wurde deshalb auch gegen ihn erhoben. Die jüngsten Missbrauchsfälle beleben nun auch die Diskussion über den kirchlichen Umgang mit der Homosexualität. Rektor Klaus Mertes vom Canisius-Kolleg stellte die These auf: "Meine Kirche leidet an Homophobie." Nach Schätzungen gelten etwa 20 Prozent der römisch-katholischen Priester als homosexuell. In der katholischen Kirche gibt es seit Jahren einen vorsichtigen Wandel in ihrer generellen Haltung gegenüber gleichgeschlechtlich Veranlagten. Der Katechismus von 1992 sagt zwar, homosexuelle Handlungen verstießen gegen das "natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen". Dennoch fragen immer mehr katholische Theologen, ob sich Sexualität auf die Möglichkeit der Fortpflanzung reduzieren lasse. Auch das katholische "Lexikon für Theologie und Kirche" kommt zu einer anderen Auffassung. Es hält eine grundsätzliche Ablehnung homosexuellen Verhaltens dort für problematisch, "wo die Betroffenen ihre Homosexualität in eine dauerhafte, auf personale Bindung gerichtete partnerschaftliche Beziehung integrieren". [summary] There are calls in Germany for lengthening the statute of limitations for sexual abuse following revelation of incidents of child sexual abuse in Jesuit schools in Berlin, Hamburg, Hildesheim and Gottingen, The Berlin public prosecutor is still considering whether the incidents there are time-barred from prosecution. The German children's aid group yesterday urged extension of the limitation period. Georg Ehrmann, who heads the agency, said the incidents of child sexual abuse show the tragedy of the statute of limitations. He added that child sexual abuse victims often are unable to talk about their abuse until years later. |
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