BishopAccountability.org | ||||||
So Entschuldigt Sich Der Rektor Fur Den Missbrauch Welt January 28, 2010 http://www.welt.de/vermischtes/article6014879/So-entschuldigt-sich-der-Rektor-fuer-den-Missbrauch.html
Am Berliner Canisius-Kolleg haben in den 1970er- und 80er-Jahren Lehrer in gro?em Umfang Schuler sexuell missbraucht. Der heutige Rektor des Jesuiten-Gymnasiums, Pater Klaus Mertes, wandte sich deshalb in einem Brief an rund 600 Schuler der betroffenen Jahrgange. So lautet der Brief im Wortlaut: „Liebe ehemalige Schulerinnen und Schuler, in den vergangenen Jahren haben sich mehrere von Ihnen bei mir gemeldet, um sich mir gegenuber als Opfer von sexuellem Missbrauch durch einzelne Jesuiten am Canisius-Kolleg zu erkennen zu geben. Die Spur der Missbrauche zieht sich durch die 70er Jahre hindurch bis in die 80er Jahre hinein. Mit tiefer Erschutterung und Scham habe ich diese entsetzlichen, nicht nur vereinzelten, sondern systematischen und jahrelangen Ubergriffe zur Kenntnis genommen. Es gehort auch zur Erfahrung der Opfer, dass es im Canisius-Kolleg und im Orden bei solchen, die eigentlich eine Schutzpflicht gegenuber den betroffenen Opfern gehabt hatten, ein Wegschauen gab. Allein schon deswegen gehen die Missbrauche nicht nur Tater und Opfer an, sondern das ganze Kolleg, sowohl die Schule als auch die verbandliche Jugendarbeit. Aus demselben Grund bitte ich hiermit zunachst alle betroffenen ehemaligen Canisianerinnen und Canisianer stellvertretend fur das Kolleg um Entschuldigung fur das, was ihnen am Kolleg angetan wurde. In den Gesprachen mit einigen der Opfer habe ich besser verstanden, welche tiefen Wunden sexueller Missbrauch im Leben junger Menschen hinterlasst, und wie die ganze Biographie eines Menschen dadurch jahrzehntelang verdunkelt und beschadigt werden kann. Zugleich konnte ich in den Gesprachen von den Opfern horen, wie befreiend es ist, wenn man beginnt, uber die Erfahrungen zu sprechen, auch dann, wenn sie zeitlich weit zuruckliegen. Es gibt namlich Wunden, welche die Zeit nicht heilt. Seitens des Kollegs mochte ich Sie darauf hinweisen, dass der Orden 2007 eine Beauftragtenstelle eingerichtet hat, an die sich Missbrauchsopfer von Jesuiten und Angestellten von Jesuiteninstitutionen wenden konnen: Frau Ursula Raue, Rechtsanwaltin und Mediatorin, (...) war lange Jahre Vorsitzende der deutschen Sektion von „Innocence in Danger“, einer internationalen Organisation, die sich der Bekampfung von Kindesmissbrauch im Internet widmet. Sie ist Ansprechpartnerin nicht nur fur mogliche aktuelle Verdachtsfalle und Opfermeldungen. Sie ist ebenfalls Ansprechpartnerin fur Missbrauchs-Opfer aus langer zuruckliegenden Zeiten, wenn diese wieder Kontakt mit dem Orden oder mit dem Kolleg aufnehmen wollen. Sie ist berechtigt und verpflichtet, zusammen mit den Opfern an den Orden heranzutreten und zu vermitteln. Sie arbeitet mit bei der Konfrontation der Tater. Alle Informationen, die sie bekommt, werden nur mit ausdrucklicher Zustimmung der Opfer an andere weitergegeben. Ich respektiere es selbstverstandlich, wenn Betroffene auf Grund ihrer Erfahrungen fur sich die Entscheidung getroffen haben, mit dem Kolleg, mit dem Orden und mit der katholischen Kirche zu brechen. Andererseits mochte ich gegenuber denjenigen, die den Kontakt zum Kolleg und zum Orden suchen, das Signal nicht unterlassen, dass wir ansprechbar sind. Dabei ist Frau Raue eine Moglichkeit zur Ansprache. Sie konnen sich naturlich auch an jede andere Person Ihres Vertrauens wenden, die mit dem Orden und dem Kolleg zu tun hat. Innerhalb des Jesuitenordens in Deutschland hat P. Provinzial schon vor einiger Zeit daruber informiert, dass es in der Vergangenheit unzweifelhaft Falle von Missbrauch von Jugendlichen beiderlei Geschlechts durch einzelne Jesuiten gegeben hat. Diese Information hat bei den Mitbrudern gro?e Betroffenheit ausgelost.
Neben der Scham und der Erschutterung uber das Ausma? des Missbrauchs in jedem einzelnen Fall und in der – bisher sichtbaren – Anhaufung mussen wir uns seitens des Kollegs die Aufgabe stellen, wie wir es verhindern konnen, heute durch Wegschauen wieder mitschuldig zu werden. Wegschauen geschieht ja oft schon in dem Moment, wo man sich entscheidet, nicht wissen zu wollen, obwohl man spurt, dass man eigentlich genauer hinschauen sollte. Das ist eine Herausforderung fur die personliche Zivilcourage jedes Einzelnen wie auch fur die Uberprufung der Strukturen. Denn es drangt sich zugleich auch die Frage auf, welche Strukturen an Schulen, in der verbandlichen Jugendarbeit und auch in der katholischen Kirche es begunstigen, dass Missbrauche geschehen und de facto auch gedeckt werden konnen. Hier sto?en wir auf Probleme wie fehlende Beschwerdestrukturen, mangelnden Vertrauensschutz, ubergriffige Padagogik, ubergriffige Seelsorge, Unfahigkeit zur Selbstkritik, Tabuisierungen und Obsessionen in der kirchlichen Sexualpadagogik, unangemessenen Umgang mit Macht, Abhangigkeitsbeziehungen. An diesen Themen haben wir in den letzten Jahren sowohl im Orden als auch am Kolleg gearbeitet und werden es auch weiterhin tun. In diesem Sinne danke ich den Opfern, die durch ihren Mut zu sprechen auch dem Kolleg und dem Orden einen Dienst erweisen, indem sie diese Themen ansto?en. Seitens des Kollegs mochte ich durch diesen Brief dazu beitragen, dass das Schweigen gebrochen wird, damit die betroffenen Einzelnen und die betroffenen Jahrgange miteinander sprechen konnen. In tiefer Erschutterung und Scham wiederhole ich zugleich meine Entschuldigung gegenuber allen Opfern von Missbrauchen durch Jesuiten am Canisius-Kolleg.“ |
||||||
Any original material on these pages is copyright © BishopAccountability.org 2004. Reproduce freely with attribution. | ||||||